Rezension

Atmosphärisch, märchenhaft, besonders

Das dunkle Herz des Waldes - Naomi Novik

Das dunkle Herz des Waldes
von Naomi Novik

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Agnieszka liebt das Tal, in dem sie lebt: das beschauliche Dorf und den silbern glänzenden Fluss. Doch jenseits des Flusses liegt der Dunkle Wald, ein Hort böser Macht, der seine Schatten auf das Dorf wirft. Einzig der »Drache«, ein Zauberer, kann diese Macht unter Kontrolle halten. Allerdings fordert er einen hohen Preis für seine Hilfe: Alle zehn Jahre wird ein junges Mädchen ausgewählt, das ihm bis zur nächsten Wahl dienen muss – ein Schicksal, das beinahe so schrecklich scheint wie dem bösen Wald zum Opfer zu fallen. Der Zeitpunkt der Wahl naht und alle wissen, wen der Drache aussuchen wird: Agnieszkas beste Freundin Kasia, die schön ist, anmutig, tapfer – alles, was Agnieszka nicht ist. Niemand kann ihre Freundin retten. Doch die Angst um Kasia ist unbegründet. Denn als der Drache kommt, wählt er nicht Kasia, sondern Agnieszka.

Meinung
Zu der Zeit, in der ich "Das dunkle Herz des Waldes" begonnen habe, wollte ich mich wieder einmal in eine aufregende Fantasygeschichte stürzen. Und diesen Wunsch hat mir das Buch erfüllt: Es ist märchenhaft, magisch und eine Abwechslung selbst zu anderen Fantasybüchern.

Anders, als es der Klappentext vermuten lässt, handelt es sich hier nicht nur um das "Entführen" eines Mädchens und eine aufkeimende Romanze. Und schon gar nicht wird die vorhersehbare Erwartung erfüllt, dass der unangenehme Zauberer plötzlich doch eine freundliche und tiefromantische Seite zeigt. Nein, ich kann euch sagen, dass der Drache tatsächlich furchtbar mürrisch, unverschämt und aufbrausend ist. Zum Glück! Denn seine raue Persönlichkeit ist auf amüsante Weise liebenswürdig und baut eine seltsame Art von Charme auf, sodass er immer mehr zu meinem Lieblingscharakter des Buches geworden ist.

Auch mit der Protagonistin, so tollpatschig und naiv sie manchmal sein kann, konnte ich mich letztendlich gut anfreunden. Ihren Mut und ihre hartnäckige Ausdauer muss man ihr lassen. So kam es auch, dass ich von der Liebesgeschichte (die es hier natürlich auch gibt, aber keine Sorge, sie ordnet in genau dem richtigen Maß ein) ebenfalls angetan war.

Mit den Schwierigkeiten von Agnieszkas völlig umgeworfenem Leben im Turm ist es bald vorbei und man kommt zu dem noch interessanteren Part: der Magie und dem Krieg gegen den Dunklen Wald. Und letzterer ist mit seiner Macht, Heimtücke und dem Grauen, das ihm innewohnt, wahrlich ein finsterer Gegner. Zu diesem Hintergrund kommt noch der Konflikt der beiden Königreiche Polnya und Rosya, der die Story vielschichtiger und riskanter macht. Die Autorin schreckt dabei weder vor weitreichenden Verlusten noch Grausamkeit zurück, sondern führt uns eisern durch die Handlung. Gleichzeitig versucht sie, dass stets etwas Bedeutendes passiert. Aber trotz der eigentlich flüssigen und spannend bepackten Handlung tauchen ab der Mitte immer wieder langatmige Stellen auf, die sich für längere Zeit halten und mich nicht mehr fesseln konnten.

Zudem bin ich schließlich an eine Wendung gelangt, die für mich einen schroffen Cut bedeutet hat. Einfach, weil ich die Grundsituation und daraus abgeleitet die Aktionen der Charaktere überhaupt
nicht nachvollziehen konnte. Kleinere Unstimmigkeiten, die entweder Logiklücken sind oder schlicht nicht geklärt wurden, tauchen zwar auch so auf, aber diese Stelle hat mich erheblich mehr in Verwirrung gelassen.

Das Ende hingegen fand ich sehr zufriedenstellend; es wurden alle wichtigen Fragen geklärt, aber dennoch die Möglichkeit für einen potenziellen Folgeband offen gelassen.

Naomi Noviks Schreibstil hat hervorragend zum Buch gepasst und mir sehr gut gefallen. Märchenhaft, leicht altmodisch und mit ausgefallenen Namen, in Anlehnung an die dort herrschende Atmosphäre, und einem Fantasy-Epos würdig.

Fazit
Das dunkle Herz des Waldes ist eine faszinierende und spannende Fantasy-Leseerfahrung mit erfrischenden Charakteren und sehr gelungenem Weltenbau. Ich tendiere zwischen 3,5 und 4 Sternen, da die Handlung mich nicht immer in sich verwurzeln konnte (dieses Titel-Wortspiel konnte ich nicht lassen) und entscheide mich letztlich für 4, da sich das Buch für mich in seiner Gänze nochmals von üblichen Geschichten abhebt.

[Diese Rezension, Fotos und Zitate findet ihr auch hier auf meinem Blog.]