Rezension

Atmosphärisch und spannend

Der dunkle Bote - Alex Beer

Der dunkle Bote
von Alex Beer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wien, im November 1920:
Die einst so schillernde Hauptstadt des österreichischen Kaiserreiches versinkt nach dem Ersten Weltkrieg im Chaos. Viele Männer sind getötet worden oder als Krüppel zurück gekommen, der eisige Winter sorgt für Heizmittelknappheit, Hungersnöte und schwere Krankheiten fordern ihren Tribut. Als eine brutal ermordete Leiche, mit Eis überzogen aufgefunden wird, beginnt Kriminalinspektor August Emmerich mit seinem Assistenten Ferdinand Winter zu ermitteln – und bald taucht die abgeschnittene Zunge mit einem Bekennerschreiben auf: Satan habe die Seele geholt. Und es bleibt nicht bei einem bizarren Todesfall…
Doch der Kriminalkommissar hat noch weitere Sorgen, denn er sucht nach seiner Lebensgefährtin Luise und deren Kindern, die von ihrem totgeglaubten Mann entführt wurden, der sich als gefährlicher Gegner erweist.

Auch, wenn „Der dunkle Bote“ bereits der dritte Fall um das Ermittlerteam Emmerich/Winter ist, hatte ich keine Probleme, in die Reihe einzusteigen, da es ausreichend Informationen über das Geschehene gab.

Alex Beer gelingt es in diesem Buch, zwei Genres perfekt zu bedienen:
Zum einen erhält der Leser einen spannend erzählten, überaus fesselnden Kriminalroman. Ohne Gewaltszenen, aber mit viel Raffinesse führt die Autorin durch detailgenaue Entdeckungen, legt falsche Fährten und kommt schließlich zu einem überraschenden, aber logischen Ende.
Auf der anderen Seite besitzt der historische korrekte Roman eine atmosphärische Dichte, die mich begeistert hat. Genauestens lässt sich die kranke, teils hoffnungslose, verzweifelte, gewaltbereite Stimmung im verwundeten Wien zwischen den Kriegen nachvollziehen und erspüren, Der aufkommende Judenhass, die Rivalität nicht nur zwischen den politischen Parteien, sondern auch den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen kommt nachhaltig zum Ausdruck. Zahlreiche historische Begebenheiten sind genauestens recherchiert und vermitteln dem Leser einen authentischen Eindruck.

Die Protagonisten des historischen Krimis sind sehr empathisch beschrieben und ergänzen sich auf wunderbare Art: Der unbequeme Kommissar mit einer zweifelhaftem Vergangenheit wird perfekt ergänzt vom Assistenten aus adligem Hause, die Kollegen sind teils überaus hilfreich, teils konträr und alles wird ergänzt durch die kämpferische Journalistin Alma Lehner, die ich sofort ins Herz geschlossen habe.

Überaus gekonnt verwebt die Autorin verschiedene Erzählstränge, die nahtlos ineinanderfließen und die Geschichte voran treiben. Der flüssige Schreibstil, die tiefgründigen Gedanken und der immer wieder aufblitzende Humor („die Hühnerarmee“) machen das Buch zum höchsten Lesegenuss.

Mein Fazit:
Für mich einer der besten Kommissar-Folgen überhaupt, unbedingt lesen! Selbst der etwas überhastete Schluss, der mich etwas zu schnell wieder in die Gegenwart zurückgeholt hat, schränkt meine Begeisterung nicht ein. Und ganz nebenbei habe ich echte Geschichte er-lesen!