Rezension

Atmosphärische, ostdeutsche Zeitgeschichte

Raumfahrer -

Raumfahrer
von Lukas Rietzschel

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nach dem Erfolg seines Debütromans ist auch Lukas Rietzschels zweiter Roman "Raumfahrer" wieder ein Stück ostdeutsche Zeitgeschichte. Über zwei Generationen hinweg erhalten wir Einblick in ostdeutsche Leben zur Zeit der DDR und heute.

Jan, der 1989 im Jahr der Wende geboren wurde, hat die DDR selbst nicht mehr kennengelernt. Er wohnt nun als junger Mann zusammen mit seinem Vater in der sächsischen Provinz, aus der sich zuerst die Bewohner und dann auch die Gewerbegebiete zurückgezogen haben und arbeitet in einem Krankenhaus, das aufgrund von mangelnden Patienten kurz vor der Schließung steht. In diese melancholisch-triste Stimmung ist die Familiengeschichte von Jan eingebettet, über die er zunächst selbst wenig weiß, die aber plötzlich aktuell wird als er von einem älteren Mann einen Karton mit Fotos und Aufzeichnungen erhält. Langsam wird deutlich, dass Jans Familie mit der des Künstlers Georg Baselitz und seinem Bruder Günther schicksalshaft verbunden ist.

Erzählt wird in erster Linie aus der Perspektive von Jan, je weiter das Buch fortschreitet, desto häufiger springt die Erzählung jedoch in die Vergangenheit: mal in die Nachkriegszeit, zum Mauerbau, zur Nachwendezeit, zurück in die Gegenwart. Man könnte das vielschichtig und komplex nennen, für mich waren diese Sprünge allerdings eher fragmentarisch, im Aufbau hätte ich mir mehr Struktur gewünscht. So erfordert das Lesen einiges an Konzentration, eigenes Schließen der Leerstellen und Zusammenfügen der Fäden. Die Trennung durch die Mauer, die Stasi-Bespitzelung, der Wegzug in den Westen und die Verlassenheit der Zurückgebliebenen - all das bekommt einen Stellenwert im Roman. An diesen ostdeutschen Themen hangelt sich die Geschichte entlang und vermittelt auf diese Weise weniger offensichtliche Zusammenhänge als viel mehr ein Einfühlen in diesen verlassenen Landstrich und seine "Raumfahrer", die sich irgendwo in Raum und Zeit verloren haben. Zwischen Sehnsucht und Resignation, zwischen Lachen und Weinen über die Absurdität ihrer Lebensumstände und dessen, was die Politik oder die Medien daraus oft machen. Und hier liegt die besondere Stärke des Roman, denn diese ganz besondere Atmosphäre durchdringt den Text, ist fast greifbar und bleibt auch nach dem Lesen noch lange hängen.