Rezension

Atmosphärischer und dicht erzählter Schmöker über eine Familie in den 1950er Jahren

Neuleben - Katharina Fuchs

Neuleben
von Katharina Fuchs

Bewertet mit 5 Sternen

Nach „Zwei Handvoll Leben“ erzählt Katharina Fuchs die Geschichte ihrer Familie weiter und fokussiert sich erneut auf zwei starke Frauen aus der nächsten Generation: 
Gisela (Annas Tochter) heiratet Felix (Charlottes Sohn) und fängt als Schneiderin in einem Modehaus an, während Therese (Felix‘ Halbschwester) sich in ihrem Jurastudium an der FU Berlin einem sehr frauenfeindlichen Umfeld stellen muss. 
Die Handlung spielt in den 1950er Jahren im geteilten Deutschland, zu großen Teilen in Berlin. 

Meine Meinung:
Ich war ganz begeistert und voller Vorfreude, als mit „Neuleben“ die Fortsetzung der tollen Familiengeschichte „Zwei Handvoll Leben“ erschien. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, sondern auch dieses Mal wieder mehr als erfüllt. 

Wie in „Zwei Handvoll Leben“ erzählt Katharina Fuchs die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, so dass sich kurze Kapitel insbesondere aus Giselas und Thereses Sicht abwechseln, was die Geschichte besonders lebendig macht. Oft enden die Kapitel geradezu mit einem Cliffhanger, so dass man unbedingt wissen will, wie es an dieser Stelle weitergeht. 

Gisela und Therese waren mich gleich sympathisch. Ich habe an vielen Stellen richtiggehend mit ihnen gelitten, weil sie in der Zeit so viele frauenfeindliche und männerdominierte Realitäten erleben mussten. Besonders krass fand ich, wie mancher Professor mit Therese während ihres Jurastudiums umgesprungen ist. Ein sehr wichtiges Thema, das das Buch hier in den Fokus stellt, denn auch heute noch haben wir teilweise mit solchen Verhaltensweisen oder Stereotypen zu tun!

Darüber fand ich es besonders beeindruckend, wie gut das Buch die Realität im geteilten Deutschland Mitte der 1950er Jahre darstellt. Gerade die Besonderheiten im geteilten Berlin kamen sehr gut rüber, auch die Fußball WM 1954 kam nicht zu kurz und man konnte auch gut miterleben, welches Unrechtssystem die DDR-Führung – kurz nach dem Ende des Unrechtsregimes der Nazis – aufbaute. So kommen zum Beispiel Szenen aus dem Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen vor (was ich selbst vor einiger Zeit besucht habe), die so realistisch und gut beschrieben sind, dass man sich direkt in die Zeit versetzt fühlt. Die Beschreibungen sind so atmosphärisch, dass man sich vorkommt wie in einem gutgemachten Film. Man hat wirklich das Gefühl, selbst dabei gewesen zu sein. 

Nicht zuletzt durch den wunderbar flüssigen, super zu lesenden Schreibstil kann man das fesselnde Buch eigentlich nicht mehr aus der Hand legen. Mich hat die Geschichte so gepackt, dass ich richtig traurig war, als ich den dicken Schmöker innerhalb weniger Tage schnell ausgelesen hatte. 

Fazit:
Der Roman gehört mit zum Besten, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Ich habe viel über die Zeit im geteilten Deutschland gelernt und wurde gleichzeitig durch die fesselnd beschriebene Familiengeschichte mit den tollen starken Protagonistinnen sehr gut unterhalten. Klare fünf Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung!