Rezension

Auch aufgrund der einfachen Sprache stimmungsvoll, kommt aber schwer in die Gänge

Die Farbe von Milch - Nell Leyshon

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
So war das wohl im 19. Jahrhundert auf dem Land: schwere Arbeit bei Wind und Wetter, wenig zu essen, im Winter jämmerlich frieren - und von den eigenen Eltern als bloße Arbeitskraft benutzt werden. 
Mary wird in ein solches Leben hineingeboren. Sie hat noch drei weitere Schwestern, ein Sohn ist dem Vater nicht vergönnt gewesen. Jede(r), der/die dazu in der Lage ist, muss auf dem Bauernhof mithelfen. Für Mary ist dies besonders schwierig, weil sie ein verkrüppeltes Bein hat.
Eines Tages wird sie von ihrem Vater an den Dorfpfarrer "vermietet", weil dieser jemanden benötigt, der im Haushalt hilft und überdies seiner kranken Frau Gesellschaft leistet. Mary kommt in eine für sie ganz andere Welt und hat große Schwierigkeiten, sich dort zurecht zu finden ...
Meinung:
Man muss sich zunächst ein bisschen an den Schreibstil gewöhnen. Da Mary, ein ungebildetes Bauernmädchen, hier selbst schreibt und erzählt, finden sich im gesamten Text außer den Punkten keine Satzzeichen. Doch der geübte Leser findet schnell hinein, und dann entfaltet sich eine Erzählung von einfacher Schönheit, Schlichtheit und knallharter Ehrlichkeit.
Sprache und Protagonistin Mary gehören untrennbar zusammen. Das hat mir sehr gut gefallen, denn durch den einfachen Stil wird deutlich, was Mary im Leben wichtig ist: ein geregelter Tagesablauf durch Arbeit, der Rhythmus der Natur, Ehrlichkeit und ein sonniger Blick auf ihr Leben. Dieser Kunstgriff ist der Autorin gelungen.
Nicht ganz gelungen sind Aufbau und Entwicklung der Geschichte. Viel zu lang dauert die "Anlaufphase", fast 3/4 des Buches sind gelesen, bis es dramatischer wird. Manch ein Leser wird auch recht schnell erahnen, wohin der Hase läuft. Das Ende kam mir denn auch ein wenig zu kurz, gern hätte ich noch einige Reflexionen von Seiten Marys gehabt. Immerhin ist sie eine kluge Person.
Insgesamt ein schönes, ehrliches, gutes Buch, das aber zu lange braucht, um in die Gänge zu kommen. Wichtige Themen und Konflikte werden zwar behandelt und durch die Protagonistin Mary auch lebendig gestaltet, z.B. Diskriminierung der Frau, Analphabetismus, Gewalt, geraten aber für meinen Geschmack zu kurz.
4 von 5 Sternen