Rezension

Auch der dritte Band überzeugt!

Ein Wispern unter Baker Street - Ben Aaronovitch

Ein Wispern unter Baker Street
von Ben Aaronovitch

Es ist ja nicht so, dass Peter Grant, Zauberer in Ausbildung und Police Constable in London, nichts für das Üben von Zaubersprüchen und das Pauken von Lateinvokabeln übrig hätte - bestimmt nicht! Aber es ist doch immer wieder schön, wenn zur Abwechslung auch mal reelle Polizeiarbeit gefragt ist. Eine unbekannte Person wird im U-Bahn-Tunnel nahe der Station Baker Street tot aufgefunden - erstochen, und es deuten unübersehbare Anzeichen auf die Anwesenheit von Magie hin. Ein Fall für Peter, keine Frage. Der unbekannte Tote stellt sich als amerikanischer Kunststudent und Sohn eines US-Senators heraus, und ehe man noch 'internationale Verwicklungen' sagen kann, hat Peter bereits die FBI-Agentin Kimberley Reynolds mitsamt ihren felsenfesten religiösen Überzeugungen am Hals. Dabei gestalten sich seine Ermittlungen auch so schon gruselig genug, denn tief in Londons Untergrund, in vergessenen Flüssen und viktorianischen Abwasserkanälen, hört er ein Wispern von alten Künsten und gequälten Geistern ...

Die kleine Abigail beobachtet einen geisterhaften Sprayer und stellt sie sich die Frage: "Who you gonna call?!"
Natürlich muss sich der junge Police Constable Peter Grant damit befassen, schließlich fallen geisterhafte und übernatürliche Phänomene in seine Zuständigkeit. Diese Einleitung dient nicht nur den anderen Polizisten als Vorwand für Seitenhiebe auf Peters "unkonventionelle" Arbeitsweise, sondern bringt zum Abschluss des Romans noch eine überraschende, in Band 4 ausbaufähige, Wendung.

Doch zurück auf Anfang: Neben dem gespenstischen Künstler muss sich der angehende Zauberlehrling auch mit einem Mord befassen. Die Ermittlung bringen Peter auf die Spur einer, im wahrsten Sinne des Wortes, mysteriösen Parallelgesellschaft.
Zeitgleich wird nicht nur Peter, sondern auch Lesley von Nightingale für eine Konfrontation mit dem geheimnisvollen "Gesichtslosen" vorbereitet. War Lesley im Vorgänger noch eine Randfigur, bedingt durch die Vorfälle aus "Die Flüsse von London" zum Zuschauen verdammt, entwickelt sie sich in "Ein Wispern unter Baker Street" zur weiblichen Protagonistin und verdrängt Nightingale in die zweite Reihe: Dieser übernimmt die Rolle des magischen Mentors und zieht sich immer weiter aus der aktiven Polizeitarbeit zurück.

Das auch der dritte Band wieder überzeugt liegt nicht nur an den mal wieder schrulligen Charakteren: durch die schrittweise Einführung immer neuer (magischer) Elemente und Wesen erhöht sich die Komplexität der magischen Londoner Welt, was zu einem gesteigerten Realismus führt (soweit man bei Fantasy von "Realismus" sprechen kann^^). Die Komplexität geht allerdings auf Kosten der Einsteigerfreundlichkeit: War der zweite Band "Schwarzer Mond über Soho" noch für Quereinsteiger ohne Vorkenntnis des ersten Bandes verständlich, so dürfte sich das Lesevergnügen dieser Leser in Grenzen halten: Erklärungen für Zaubersprüche setzten Vorwissen voraus oder werden nur angedeutet, Vorgeschichten einzelner Personen werden nur angerissen und erfordern Kenntnis über diese. Wer jedoch auch die ersten beiden Bücher mochte, wird sich wieder wohlfühlen (und langsam alle guten Abkürzungen durch die Londoner Innenstadt verinnerlicht haben.)