Rezension

Auf das Wesentliche beschränkte Sprache mit ausdrucksstarken Sätzen und einer Prise Humor

Agathe - Anne Cathrine Bomann

Agathe
von Anne Cathrine Bomann

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Roman „Agathe“ von Anne Cathrine Bomann ist der erste Titel im neuen Programm „hanserblau“ des Hanser Verlags. Hanserblau steht für ein populäres und breitenwirksames Leseangebot und das vorliegende Debüt der dänischen Autorin passt hervorragend in den vorgegebenen Rahmen.

Agathe Zimmermann ist die Titelfigur des Romans. Sie ist Deutsche, 38 Jahre alt, lebt seit ihrer Studienzeit in Paris und ist verheiratet mit einem Franzosen. Im Jahr 1948 kommt sie in die Praxis  eines 71-jährigen unbenannten Psychiaters, dem Protagonisten und Ich-Erzähler des Buchs, und ersucht ihn um Hilfe bei ihren Problemen.

Der Psychiater bereitet sich gerade auf seinen Lebensabend vor. Er hat die täglichen Patientenstunden mit den verbleibenden Wochen seiner Berufszeit multipliziert, zählt in regelmäßigen Abständen die ausstehenden Gespräche bis ihm nur zu deutlich bewusst wird, dass er keine weiteren Pläne für den Ruhestand besitzt. Während er routinemäßig seine Stunden abhält zeigt sich zunehmend vor ihm ein bodenloser Abgrund, in den er zu stürzen droht. Erst nachdem er Agathe wider seinem Willen als Patientin aufgenommen und seine langjährige Sekretärin aus persönlichen Gründen eine mehrwöchige Auszeit genommen hat verändert sich sein Denken.

Schon durch die erste Szene machte ich mir ein Bild vom alternden Psychiater als ein in seiner eigenen Welt erstarrter Mensch, der nach seinem täglichen Rhythmus lebt und arbeitet, seine Freizeit aber unscheinbar und angepasst verbringt. Und sogar in seiner Praxis sitzt er während der Gespräche immer am Kopfende der Behandlungsliege, nicht sichtbar für seine Patienten. Im Laufe der Jahre hat er immer mehr Abstand zum Leben außerhalb seiner Praxis genommen, geht keinem genannten Hobby nach und gleichzeitig haben sich seine Gefühle für seine Mitmenschen auf das Wesentliche, meist berufsmäßig, reduziert. Agathe bringt etwas in ihm zum Klingen. Ihre Erzählung berührt ihn tief im Inneren und öffnet ihn für das Kommende. Konnte ich von Beginn an verfolgen, wie er zunehmend aufgrund seiner festgefahrenen Verhaltensweisen von sich selbst angewidert ist, so blitzt schließlich ein Funken Motivation zur Änderung seiner Handlungen in ihm auf.

Um die Distanz zu wahren und aus purer Langeweile zeichnet der Psychiater während seiner Sitzungen Vogelkarikaturen seiner Patienten. Eine davon ist ein Spatz, die er mit der Titelfigur in Verbindung bringt und die daher das Cover des Buchs schmückt. Der Roman hat zwar ein historisches Setting doch seine Aussagen sind allgemeingültig.

Anne Cathrine Bomann ist selbst Psychologin. In die skizzierten Gespräche fließt vermutlich eigene Erfahrung ein, denn sie wirken authentisch. Sie benutzt eine auf das Wesentliche beschränkte Sprache mit ausdrucksstarken Sätzen und einer Prise Humor. Dadurch brachte sie mich als Leser sehr nah ran an die existenziellen Fragen des Lebens, vor allem nach der, welche Bedeutung wir uns selber zugestehen. Die Geschichte stimmt nachdenklich über unsere eigenen Ängste und die Rolle der von uns eingegangenen Beziehungen im Zusammenspiel mit unserem Selbstwert. Über allem liegt eine gewisse Leichtigkeit mit der die Autorin eine nahe Zukunft vermittelt voller Hoffnung unter der Voraussetzung, sich auf Neues einzulassen. Das Ende der Geschichte bringt Unerwartetes mit sich. Gerne empfehle ich den Roman weiter.