Rezension

Auf den Punkt

Loyalitäten - Delphine de Vigan

Loyalitäten
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 5 Sternen

Helene merkt, dass mit ihrem Schüler Theo etwas nicht stimmt. Er ist zu ruhig, irgendwie zu unsichtbar - sie kennt die Zeichen eines leidenden Kindes nur zu gut. Aber äußerlich fehlt Theo nichts und wegen eines bloßen Gefühls hat sie keine Handhabe. Doch sie hat recht, Theo leidet und nur sein bester Freund Mathis weiß Bescheid. Und auch Mathis Sorgen nehmen zu. Doch will er seinen Freund natürlich nicht verraten.

De Vigan erschafft hier innerhalb kürzester Zeit vier beeindruckend realistische, glaubwürdige und greifbare Charaktere. Man könnte meinen, man hätte einen 500 Seiten Roman über sie gelesen, so bildhaft standen sie mir vor Augen, so schnell waren sie mir vertraut.

Wann verrate ich einen Freund oder Verwandten? Ab welchem Punkt wäre es besser etwas zu sagen, Hilfe zu holen? Bin ich dann nicht mehr loyal oder bin ich gerade deswegen loyal? Ohne diese Fragen konkret zu stellen beschreibt De Vigan den Zwiespalt absolut perfekt. Man versteht als Leser beide Seiten, merkt, wie sich die Situation mehr und mehr zuspitzt und hofft, alles möge irgendwie gut ausgehen.

Perfekt beschriebene Charaktere, eine intensive wie traurige Geschichte und ein sehr angenehmer Schreibstil: Delpine De Vigan hat es auf den Punkt gebracht. Ich möchte auf jeden Fall noch mehr von ihr lesen - gerne auch etwas längeres. "Loyalitäten" lässt sich zwar fast an einem Tag durchlesen, aber für mich war es ein Buch, das man zur Seite legen möchte, damit man länger etwas davon hat.