Rezension

Auf den Saluki gekommen

Kitty Kathstone - Sandra Öhl

Kitty Kathstone
von Sandra Öhl

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Es war mal wieder Bahnhofszeit“

Habt ihr dieses wunderschöne Cover gesehen? Da stimmt wirklich alles. Es hat ein wenig was von einem Mandala, voller phantastischer Figuren wie einer Wunderlampe, einem Drachen und einem Medusenkopf. Um all diese Wesen soll es demnach gehen, verspricht ja auch schon der Klappentext. Und während Nika zeitgleich mit mir die Buchversion genossen hat, erlaubte ich mir die Hörbuchvariante. Und dazu muss ich auch erst einmal was ganz Generelles los werden. Der Sprecher der 666 (EVIL-LIVE) Minuten andauernden DoppelCD ist Wolfgang Pampel. Eine knurrig tiefe, rauchige Stimme, die einem vielleicht Indiana Jones ins Gedächtnis ruft - andererseits vielleicht schon zu beruhigend wirkt. Aber eins muss ich mal sagen: Pronunciation! Was bitte ist eine „Wal-Küre“ 'nen fetter Walfisch der den norddeutschen Dialekt spricht und dabei Opern singt? Das ist wirklich nicht bös‘ gemeint von mir, aber da habe ich wirklich gestutzt.

Das Schöne an der Hörbuchversion ist die Tatsache, dass Sir Larry Oehl höchstpersönlich in der Ich-Perspektive im Buch auftritt. Mittlerweile dürfte ja bekannt sein: Key mag den Ich-Erzähler nicht. Doch hier macht es einen sehr gelungenen Eindruck, da der Erzähler ganz gern mal den Hörer persönlich anspricht und aus der Erzählung ausbricht. Das nämlich mag ich wiederum sehr! Klappt natürlich nicht in jeder zu erzählenden Geschichte, ist für mich aber angenehmer diese Rolle des Erzählers mit einer lebendigen Figur zu besetzen als aus der Sicht des Protagonisten/ der Protagonistin sprechen zu lassen. Übrigens: „Hier wird nich gegendert - der Hörer ist mündig und stößt sich hoffentlich auch nicht am Höflichkeitsplural.“ Durch diesen Kniff kann der Autor - in diesem Fall Saluki Sir Larry Oehl und sein geschätzter Kollege Villard van Helsing sowie ‚die tatkräftige Unterstützerin‘ Sandra Öhl - sowohl allwissende Elemente als auch persönliche Eindrücke und Gedanken der einzelnen Figuren glaubhaft schildern. Hier noch gesteigert durch den Eindruck, dass der Erzähler selbst die Geschichte der kleinen Miss Kathstone nacherzählt, da er bis ins letzte Viertel des ersten Bandes nicht aktiv am Leben der Protagonistin teilgenommen hat. Und so verwirrend wie ich mich gerade ausdrücke ist es gar nicht.

„Ich hoffe mich erwartet dahinter nicht Andy Warhol“

Wer ist denn nun diese Kitty? - Ich finde den Namen Kitty in Ordnung (Kennt ihr das? Namen die euch einfach nicht packen können? Bei mir sind es sämtliche Katharinas, Kathrins, Kathys, Kittys, Katis, Ann-Kathrins und sämtliche andere Abwandlungen.), auch wenn es schon sehr simpel ist, dass eine Werkatze, der andauernd eine weiße Tigerin erscheint, Kitty heißt. Das Mädchen ist nicht schubladisierbar, wenn man sie fragen würde und anscheinend weiß sie selbst nicht, weshalb sie andauernd Probleme in der Schule hat. Könnte an ihrem komischen Schal liegen an dem lauter Klimbim hängt. Sie sei ein schwer erziehbares Balg, na da hat sie aber Glück, dass sie direkt zu Anfang der Geschichte mal wieder die Bildungseinrichtung wechseln darf.

Oma und Mutter Kathstone sorgen jetzt dafür, dass das Kind mal erfährt was sie und was ihre Familie ist und was es noch so in der großen weiten Welt gibt und schicken sie auf die örtliche ’Club of Goofers’-Schule. An der Schule ist jetzt auch nichts Außergewöhnliches zu finden. Internatsähnlich bekommt Kitty ein Zimmer mit Nora Needle, der Igor-Brillenschlange, verknallt sich mal sofort in den Herbstlaub-Duft Jungen Glade, während ihre Lehrer ihr die Hölle heiß machen, weil sie überall hinterherhinkt. Sie verwandelt sich hier und da mal unkontrolliert und flüchtet sich auf Bäume um dann nackt darauf zu warten, dass irgendwer so freundlich ist und ihr ihre Kleidung bringt. Niemand macht sich die Mühe sie aufzuklären und als dann auf einmal alles anfängt schief zu laufen, da gerät das arme Ding in die farbenfrohe Welt hinter der Welt.

„Die schwarze Perle ist eine Legende“

Natürlich ist an der Schule gar nichts normal! Der Rektor Armand ein Vampir, dessen dunkler Bruder Vincent die Angewohnheit hat aus Spiegeln aufzutauchen. Der Hausmeister ein rüffeliger Zwerg, die Schüler bedienen alles zwischen japanischen Einhörnern, Meerjungfrauen samt herumfahrbaren Tank und coolen Sonnenbebrillten Gorgonensöhnen. Und zwischen Philosophie beim Eisatemdrachen und ein wenig Herumspionieren, bekommt Kitty gerade so die nötigsten Erklärungen größtenteils von „Nerd, Nerd, Nerd“-Nora geboten, zum Beispiel wozu die Steine gut sind die für die 7Tugenden und die 7Sünden stehen.

Es gibt so wunderschöne Hinwendungen wie die Beschreibung des Berufes der Mutter, die ‚auf der Suche nach den verlorenen Worten‘ ist und somit im Antiquariat zu tun hat. Später gibt es ein wenig Wortwitz im Bereich der Moiren: „Nora, Norma und Honora“. Generell aber ist Kitty Kathstone Band 1 nur halb so amüsant lustig wie ich mir das vorher vorgestellt hatte. Als schlagfertig würde ich Kitty nicht charakterisieren, da sie viele der guten Sprüche für sich behält. Das versprochene Philosophieren ist gegeben, die Spannung jedoch findet sich wirklich erst am verpatzten Ende. Verpatzt sage ich deshalb, weil ich mir die Endkampfszene zweimal anhören musste und dennoch den Eindruck habe, dass hier etwas fehlt oder gekürzt worden ist. Der liebevollen und langen Vorbereitung nach über rund 500Minuten von den 666 hinweg, fehlt es gerade dann auch im Epilog einfach an allem. Weil dort jeder Charakter noch mal gezeigt wird in ein paar Sätzen, was sie nun zum Schluß in Vorbereitung auf Band 2 tun. Das war einfach nur szenisches Abklatschen und es fehlte mir das Gefühl, will sagen der doch recht eloquente Stil der bisher vorgeherrscht hatte.
 

Fazit:

Zu viele Wesen schwirren hier rum, dann kommen noch viele Artefakte, Völker, Rätsel, Geheimnisse und halbe Antworten hinzu, die nicht nur Kitty tierisch auf den Senkel gehen. Mir fehlen auch sehr viele Informationen. Das begünstigt natürlich die Verstrickungen des ‚UPS‘ und lässt das ganze ‚Guardian-Sein‘ unklar, ärgert einen dann aber schon. Und was hinterm ‚Weltenbaum‘ abgeht, wie da diese ganzen Zubringer zu den Portalen voller Wesen sind und wohin das alles führt, ist noch alles oberflächig angekratzt, dass ich gesamt eher traurig bin, zu viel Zeit an der Schule verbracht zu haben.

Vorgestellt hatte ich mir eine unglaubliche Reise in eine phantastische Welt, herausgelöst aus dem echten Leben. Vielleicht mehr wie eine ‚unendliche Geschichte‘. Und wesentlich mehr Witz: „ein fantastisch-komisches“ Abenteuer wollte ich, bekommen habe ich die Pubertät an einer Schule voller Fantasy-Being-Decendants aber mit allen normalen Zickereien. Richtig gut gefallen hat mir das Werk erst ab dem Punkt als Oma Victoria mit Direktor Armand tändelt. Die beiden finde ich unglaublich interessant! Und alles was danach geschah fand endlich den Sog, den ich von Anfang an erwartet hatte.

Für meinen Geschmack hätte ich auch damit leben können, wenn Kitty längst an der Schule gewesen wäre seit einiger Zeit und trotzdem ein Außenseiter geblieben wäre und nicht gerade die Lernbegeisterung gefressen hätte. Das bislang einzige Buch im Verlag Mr. Bumblebee’s House bietet wohl gesetzte Worte, sympathische Charaktere, Tiefgang und jede Menge Phantastik. Ich freue mich auf weitere Bücher des Hauses und weitere Erzählungen von Sir Larry! Eine tolle Idee, die beiden Salukis einzubauen, wirklich das erinnert mich positiv an Walter Moers’ Hildegunst von Mythenmetz, dem der Autor ja auch ‚nur’ der Übersetzer ist.

Ein: "Was ist Zufall?" Urteil