Rezension

Auf der Suche nach Erfüllung im Leben

Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen - Emma Braslavsky

Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen
von Emma Braslavsky

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Konglomerat unterschiedlichster Gruppierungen ist auf dem Weg die Welt zu verbessern. Doch wer an Menschlichkeit, Nachhaltigkeit und Wohlergehen denkt, liegt hier falsch. Macht, Geld und Prestige geben die Spielregeln vor, die den Besiedlungskampf um eine neu entdeckte staatenlose Insel einläuten. Es geht um Einzelschicksale, inneren und auslebenden Aussteigern.

Verschiedene Handlungsstränge, die willkürlich aufeinander folgen machen den Einstieg nicht leicht. Erst langsam erkennt man Zusammenhänge, taucht dann aber sogartig in das Geschehen ein. Emma Braslavsky setzt unterschiedliche Stilmittel ein, um die Handlungsstränge miteinander zu verbinden. Mal taucht ein Newsblog auf, dann wieder Dialoge eines Aussteigerpärchens im vermeintlichen Paradies. Unterschwellige Spitzen der Autorin greifen Wohlstandprobleme auf, nehmen Politik und Wissenschaft unter die Lupe und halten einem jeden den Spiegel vor. Kuriose und durchdachte Ideen wie ein vom Wind verwehtes Haar oder ein personalisierter Sturm würzen den gelungenen Schreibstil.

Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Charakteren, die lebendig, skurril und dennoch glaubwürdig beschrieben werden, zeichnen den Roman aus. Ob Berliner Youngster, argentinisches Familienoberhaupt, Kaballah-Teilnehmerin oder Paradiesbewohner man folgt ihnen gern bei der Suche nach ihrer Lebenserfüllung.

Der argentinische Architekt Jivan und die karriereorientierte Umweltaktivistin Jo scheinen das perfekte Paar zu sein. Hinter ihrer glänzenden Fassade zeigen sich aber erste Risse, die dramatische Folgen nach sich ziehen werden. Durch den Erzähler taucht man immer tiefer in die verworrenen Ziele verschiedener Organisationen ein. Das vermeintliche Wohl der Menschheit gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Ein Thema, das gerade wieder an Aktualität gewonnen hat.

"Wie merkwürdig sich der Fahrtwind ihnen in dieser Windstille entgegenstemmt, ihre Haare erfasst, kein Wind eigentlich, sondern die Zeit selbst, die nur als Wind spürbar wird, wenn man durch den Raum jagt und ihren Strom überholen will, wenn man schneller sein will, als sie fließen kann."

Die 19 Jahre alte Roana verbringt einen durch ihren Vater verordneten Zwangsaufenthalt in Argentinien. Der Familientradition folgend soll sie am Fuß eines Vulkans zu sich selbst finden. Am Ende führt ihr Weg nach Buenos Aires, den sie rückblickend aus der Gegenwart heraus erzählt. Jugendlich und unvoreingenommen schildert sie ihre Gedanken und Gefühle. Ihr ist man besonders verbunden, weil Roanas Zerrissenheit spürbar vermittelt wird.

Anfänglich völlig voneinander losgelöste Handlungen führen zu einem fulminanten abstrusen Finale.

Obwohl sich bei mir der Lesegenuss nicht sofort einstellen wollte, hat mir der kreative Stil, die enthaltene Botschaft und deren humorvolle Umsetzung sehr gefallen.