Rezension

Auf einem Baum drei Raben stolz, oh weh, oh weh

Call of Crows - Entfesselt - G. A. Aiken

Call of Crows - Entfesselt
von G. A. Aiken

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Jeder Rabe ist eine Krähe,
aber nicht jede Krähe ist ein Rabe."

Lieber Piper Verlag, es ist an der Zeit einmal Danke zu sagen. Danke für viele wunderbare Bücher in eurem Sortiment. Ich könnte es jetzt durchzählen, aber ich bin mir sicher, dass ich einen ganzen Haufen aus eurem Haus habe. Und brandneu dieses Exemplar. Aiken (oder Shelly Laurenston) zählt nicht zu meinen LieblingsautorInnen, dennoch habe ich alle deutschen Bände von Lions, Wolfs und Dragons. Warum? Weil es so schön kurzweilig ist. Manchmal braucht man das. Und da ich die Bücher mit viel Begeisterung und Schmunzeln immer so runterlesen kann, sind sie mir vielleicht doch viel lieber als ich glaube.

Das liegt auch daran, weil ich mich wirklich gut selbst darin sehen kann. In den Lions mehr als den Dragons. Flapsig, humorvoll und manchmal auch ein wenig niveaulos - so würde ich es beschreiben. In dem Fall nichts Schlechtes, auch wenn mich jedes 'Schlampe' einfach nur nervt. Das machen aber lebensgroße Xena-Pappaufsteller, Göttinnen denen man Socken schenken kann, Led Zeppelin Shirts und Katharine Hepburn wieder wett.
 

"Unsere Versicherung deckt keine Pitbulls ab."

Ausnahmslos jedes Buch dieser Autorin funktioniert nach demselben Muster. Bisschen Hintergrundgeschichte die alle Teile miteinander verbindet, Annäherung, Sex, irgendetwas eskaliert, bisschen Kampf, dann Heilung und wieder Sex und noch einmal ein bisschen Hintergrundgeschichte. Auch Call of Crows bildet hier keine Ausnahme von der Regel, mit der die Autorin seit Jahren gut fährt. Ich erkenne keine bedeutende Weiterentwicklung. Im Gegenteil, meine ich zu sehen, dass sie sich auf gewisse Lieblinge eingeschossen hat.

Ihre Männer sind im Verlauf immer größer geworden und bleiben es auch hier als 2Meter Wikinger, dabei muss ich nicht erwähnen, dass Odin noch mal einen drauf legt (der ist übrigens kein Fan von Nazis (wer ist das schon) klaut aber kleine Jungen, was ich beunruhigend finde). Ihre Frauen sind ein wenig verschroben, hibbelig und neigen zu CatFights. Hunde kommen gern als Haustiere vor. Irgendwie ist ja dann doch immer jemand vom Militär dabei. Ein vereinzelter Bärengestaltwandler taucht auf. Was sie aber anders macht, ist die Leichtigkeit. Die Story wird zügig vorangetrieben und auf das Wichtigste begrenzt. Statt also 'die Neue' jetzt wochenlang auszubilden und aufzuklären, wird sie einfach vom Dach gestoßen. Learning by burning und wenn du es nicht überlebst, bist du ohnehin nicht stark genug eine Crow zu sein. Erfrischend geradlinig und dies zieht sich durch die gesamte Handlung die ansonsten nicht mit nennenswerten Wendepunkte glänzen kann.
 

"Gemeinschaftswaschschüssel.
Es gibt wirklich keinen Grund,
diesen Satz zu Ende zu sprechen."

Um den Klappentext nicht zu wiederholen: Ob Kera, die Protagonistin, Barista ist, wage ich zu bezweifeln. Sie ist in erster Linie Marine im Ruhestand und das wird wirklich in jedem Kapitel erwähnt. Ulkigerweise ist das Wichtigste das sie daraus mitgenommen hat ihre Meditationsübung. Alles geht dann recht zügig voran und die von der Göttin Skald wieder erweckte Kera kommt ins Bird House und muss fortan ihr zweites Leben als Crow-Clan Angehörige beschreiten. Frei weg bedient sich Aiken hier an der nordischen Mythologie und wird wohl auch die Edda gelesen haben in diesem Zug. Ich finde jedenfalls einige interessante Dinge wieder, die ich selbst kenne.

Man erfährt ein bisschen über die verschiedenen legitimen Clans, die sich untereinander nicht grün sind. Über die Mitglieder der Crows an sich. Wenn es wieder eine Reihe wird, dann sind wahrscheinlich bald alle Mädels mit jemand anderem zusammen der bis dahin auch schon mal aufgetaucht ist oder eben zu dem Zweck neu eingeführt wird. Der Autorin macht dies ganz besonders viel Spaß. Und mir das zu lesen. Richtig gut gefallen hat es mir dann in Asgard und ich frage mich wozu überhaupt die Haupthandlung in die normale/ reale Welt versetzen, wenn man diesen Ort hat? Das wäre weitaus spannender dort gewesen.
 

Fazit:

Was Aiken kann: Charaktere. Lustige, lebensnahe Verschrobenheiten, Tics und Eigenarten zusammen basteln und mit Vorurteilen spielen. Außerdem die wörtliche Rede in denen die Chars sich lauter Zeug an den Kopf werfen, zB auch Hämmer, Wasserflaschen und Klemmbretter.
Was sie nicht kann: Was Neues machen. Sie gibt ihren Gestaltwandlern nur andere Fähigkeiten, in diesem Fall nur Flügel und Krallen (für's Erste). Die Grundideen bleiben erhalten: Götter die Unheil anrichten wollen etc
Was ich sehr mag: Das Kennenlernen der Charaktere und die enge Verbundenheit der Gruppen, Loyalität, Bruderschaft, Freundschaften.
Was ich gar nicht mag: (Das Achselzucken, hatte ich ja schon mal angesprochen.) Das Geld. Aikens Chars haben immer eine hohe Kante mit viel zu viel Spesen. Langweilig. Der Fuhrpark der Crows alleine ist so ausufernd, dass es mich nicht im Mindesten beeindruckt den Aston Martin zu sehen.
"tick, tack, tick, tack, katsching!"

Das Paradebeispiel an großen, gut bestückten, nicht gerade subtilen Charakteren, die alles haben, alles können und dann auch noch von Göttern begünstigt werden und im Hintergrund die Welt retten ohne, dass die Normalsterblichen es mitbekommen (sollen). Da die Crows in Malibu nicht die einzigen sind auf der Welt, gilt auch hier wieder meine Frage: Bei so vielen übernatürlichen Wesen, wer ist dann noch Mensch? Denn bisher kennen wir ja nur das nordische Pantheon.
Wer die anderen Reihen verpasst hat, kann getrost mit dieser anfangen um sich eine Meinung über Aiken zu machen. Meine Favoriten bleiben jedoch die Lions. Da ich mich aber kenne, werde ich auch von den Ravens, den Stillen, den Protectors, den Riesentötern, den Walküren, den Holden Maiden, den Ran, den Nachtmaren, und den Crows nicht die Finger lassen können und bin gespannt ob es ein Ragnarök geben wird.

Mein Urteil hat nen leichten Bonus für den Notfalltampon.

Meine erste Prognose wäre:
Erin, die Tattoo-Künstlerin mit Siggy (Ravens)
Chloe, die Autorin mit Josef (Ravens)
Tessa, die sich um alle kümmert mit Brandt (Stille)
Jace, der fuchsteufelswilde Tolstoi-Fan mit Ski (Protectors) (siehe Klappentext zu Teil 2 bei Piper)
Leigh, die prokrastinierende Malerin; Maeve, die Hypochenderbloggerin und Alessandra, der der Seifenoper Sender gehört sowie Betty, die sadistische Agentin kann ich noch nicht gut genug einschätzen. Aber dann hätten wir auch noch Vigs Schwester, die Pferderetterin und Frieda, die Riesentöterin…
Warum ich nur Frauen aufzähle? Weil die Männer bei Aiken oft nicht allzu gut weg kommen. Sie haben viel PS und wenig Hubraum, um es freundlich auszudrücken.

(Die Überschrift bezieht sich auf die Lyrics der Rabenballade (1611 schottische Folklore), mittlerweile interpretiert von etlichen Künstlern wie Schelmish, Die Streuner, d'Artagnan...)