Rezension

Auf einer guten Spur des Lebens

Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half
von Mikael Bergstrand

Bewertet mit 5 Sternen

 Mikael Bergstrand legt hier einen weiteren Roman mit schrägem Titel vor, den er aber nur im Deutschen trägt. „Der 50jährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half“ ist nicht der Originaltitel! Darauf komme ich noch zurück.
Die Hauptperson Göran Borg, ein Mittfünfziger, ist Schwede, lebt in Malmö, wo er Arbeit, Familie und Freunde hat. Zu Beginn des Buches lauscht Göran der beruhigenden Stimme einer Frau, der Therapeutin Karin Vallberg Torstensson. Seine 21-jährige Tochter hatte ihn dazu gebracht, diese Therapie zu beginnen. Er solle endlich anfangen sein Leben in die Hand zu nehmen. Sie schimpft ihn “alten Sauertopf“.
Sein langer Aufenthalt in Indien hinterließ bei ihm tiefe, bedeutungsvolle Eindrücke, die ihn zunächst mit Kraft erfüllt und neue Lebenseinsichten vermittelt hatten. Nun, wieder in der Heimat, war er nach kurzer Zeit wieder in alte Strukturen verfallen, die ihn nicht weiterbrachten. Er gibt sich weitgehend selbstzerstörerischen Gedanken hin. Ihn erfüllt eine innere, eisige Leere, die wehtut und ihn quält. Veränderungen in seinem Leben bereiten ihm große Mühe. Göran fühlt sich zudem von Perfektion bedroht. Bei ihm darf jeder einen kleinen „Schaden“ haben!
Nach einer weiteren Therapiesitzung hatte er ein AHA-Erlebnis: Plötzlich verstand er, was es bedeutete, in eingefahrenen Bahnen zu denken. Er beschließt zunächst nach langer Zeit seine sehr unterschiedlichen Freunde in der Stammkneipe zu besuchen. Dort trifft er auf Sven Grip. Das ist der Neue in der Herrenrunde. Sie verstehen sich auf Anhieb. Sven scheint auf seiner Wellenlänge zu liegen. Es gibt viele Übereinstimmungen, er ist belesen, Bierexperte, Weinkenner. Kurz gesagt: die Chemie stimmt zwischen den Beiden. Und doch „ Der Fall Sven Grip“ ist die Ursache zum abrupten, erneuten Aufbruch nach Indien. Er flieht regelrecht vor dem neuen Freund, spricht nicht Klartext mit ihm, sondern täuscht sich und ihn. Es kommt, wie mehrere Male im Roman zu skurillen, komischen Situationen, die Göran durch seinen verklemmten, gehemmten Charakter, durch seine Feigheit und Ignoranz der eigenen Gefühle verursacht. Er ist nicht der mutigste Mensch, drückt sich vor Entscheidungen, Aussprachen und ist kein Mann der klaren Worte. Seine Gedanken kreisen nur noch um die „magischen Monate in Indien“.

Göran reist also wieder in das „Land der Kontraste“ zu seinem besten Freund Yogenda, genannt Yogi, der jedoch selbst ganz gehörig in der Klemme steckt. Seine Hochzeit mit Lakshmi musste er verschieben. Die Gründe dafür werden sehr bald klar...
Wie sich der Schwede mit den „Yogischen Weisheiten als Leitlinie“ und der „KVT-Skala“ (Karin Vallberg Torstensson oder Kognitive Verhaltenstherapie zum Einteilen des Unbehagens auf der Skala von 1 bis 100) den Problemen und Aufgaben stellt, möchte ich nicht vorwegnehmen...
Fazit:
In 63 Kapiteln und auf 445 Seiten war dieses Buch für mich eine hervorragende Lektüre und ich vergebe meine uneingeschränkte Leseempfehlung!
Es war unterhaltsam zu lesen, wie Göran begann sich aus seiner inneren Isolation zu befreien und seine Sinnkrise überwand. Er befindet sich hier im Band 2 auf einer guten Spur des Lebens. Es fügt sich eins ins andere. Was er daraus macht, wird man ganz sicher in Band 3 erleben dürfen.
Der Tiger kommt erst sehr spät ins „Bild“, hat aber meiner Meinung nach im Titel nichts zu suchen (verkaufsfördernde Strategie?). Das Cover gefällt mir gut, das dicke Hinterteil des Elefanten und der Blick in die Weite der Landschaft bringt sehr gut die Eigenschaften und das äußere Erscheinungsbild Göran Borgs zum Ausdruck.

Mir gefällt der wortgewandte, witzige, humorvolle, sehr intelligente Schreibstil von Mikael Bergstrand.