Rezension

Auf nach Hyra, dem Land der vier Königreiche!

Das Mädchen mit den Augen aus Gold - Tina Videkiss

Das Mädchen mit den Augen aus Gold
von Tina Videkiss

Worum geht's?
Etwas Dunkles regt sich in Hyra, dem Land der Vier Königreiche. Durch ein Zufall entdeckt das Waldmädchen Felis genau das, wonach das Böse am meisten trachtet: Ein Buch, das den Weg zu einem verborgenen Königreich im Himmel beschreibt. Mit Salem, einem Schwarzen Soldaten aus dem Rabenkloster, macht sie sich auf die Suche nach dem sagenumwobenen Reich über den Wolken. Doch etwas Böses ist den beiden dicht auf den Fersen und ein Wettlauf auf Leben und Tod beginnt. Wird es Felis schaffen einen Weg aus der Dunkelheit zu finden? Oder werden sich die Schatten des Südens ausbreiten und Hyra endgültig verschlingen? (Quelle: www.tina-videkiss.de)

Meine Meinung:
Das Waldvolk, das in den Wipfeln des Waldes von Abnoba haust, ist gesegnet mit Augen aus Gold. Niemand kann sich ihrer Schönheit entziehen – und so bin auch ich auf Tina Videkiss‘ Debütroman „Das Mädchen mit den Augen aus Gold“ aufmerksam geworden. Dieses Cover ging mir schlichtweg nicht mehr aus dem Kopf!

Zwischen den Buchdeckeln schlummert die Geschichte von Felis, der Bibliothekarin der Königin von Abnoba, die bloß eines Buches wegen in ein fernes Königreich reist. Dabei stößt die sanftmütige Felis auf ein Legendenbuch, das in den falschen Händen Hyras Untergang bedeuten könnte. Der Soldat Salem, dem Felis zufällig auf ihrer Reise begegnet ist, schließt sich dem Waldmädchen kurzentschlossen an und zieht mit ihr durch ganz Hyra. Auf sie wartet ein Abenteuer, das bei den Lesern für ein magisches Kopfkino sorgt.

„Das Mädchen mit den Augen aus Gold“ ist ein atmosphärischer Hight-Fantasy-Roman, der sich vornehmlich an eine jugendliche Leserschaft richtet. Das erdachte Setting der Autorin um Hyra, dem sagenumwobenen Land der vier Königreiche, ist leicht zugänglich und zieht auch Frischlinge des Genres sogleich in seinen Bann. Dank toller Ideen, einer magischen Atmosphäre und Videkiss‘ buntem Schreibstil ist es ein Leichtes, sich in den Roman fallen zu lassen und sich für einige kurzweilige Lesestunden von dem „Mädchen mit den Augen aus Gold“ in das lebhafte Hyra entführen zu lassen.

Ihren kreativen Kopf stellt Tina Videkiss nicht nur mit ihrem Setting unter Beweis: Die Handlung gleicht einem modernen Märchen, einer fantasievollen Legende, die jeden bibliophilen Fantasy-Fan aufhorchen lässt: ein Waldmädchen, begleitet von einem Katzenwesen, und ein Soldat, in dessen Nähe immer eine Krähe zu finden ist, stoßen auf ein uraltes Buch, das die Geschichte eines Königreiches im Himmel erzählt. Dass dahinter mehr als ein Ammenmärchen stecken muss, beweist ein mächtiger schwarzer Magier, der über Leichen geht, um das Buch in seine Fänge zu bekommen. Von Felis‘ und Salems Suche nach dem verborgenen Königreich lässt man sich schnell mitreißen, stets neugierig und fasziniert, was die beiden auf ihrem Abenteuer noch erleben werden.

So sehr Tina Videkiss‘ mich mit ihrem Weltenentwurf überzeugen kann, so ernüchternd sind leider die Entwicklungen ihrer Charaktere. Felis, Salem sowie all ihre Mitstreiter und Gegner erscheinen auf den ersten Blick wie vielsichtige Figuren, doch je besser man sie kennenlernt, desto vergeblicher sucht man nach Tiefe und Individualität. Alle Charaktere sind auf ihre Weise zweifelsohne interessant, allen voran Protagonistin Felis, das buchverliebte Waldmädchen, und ihr Sidekick Mephisto, der kluge Kater. Das gewisse Etwas, das Buchcharaktere über die Seiten hinaus lebendig werden lässt, hat mir jedoch gefehlt. Manche entwickeln sich zu stereotyp, anderen fehlt die Zeit, ihre Persönlichkeiten präsentieren zu können. Hier sind viele Aspekte ausbaufähig.

Ähnlich ist es auch mit dem Plot: Ist man anfangs von den guten Ideen und dem Potenzial begeistert, stürzt man sich schnell und gerne in den Lesefluss, der durch Tina Videkiss‘ Schreibstil entsteht. In den fortschreitenden Kapiteln verfliegt die Faszination für die Geschichte zwar nicht, der Lesespaß wird jedoch durch wenig überraschende Entwicklungen geschmälert. Besonders im letzten Drittel wirkt der Roman unausgeglichen: Das Tempo wird angezogen, obwohl gerade dort mehr Details dem Buch gut getan hätten. Tina Videkiss führt die Reise von Felis und Salem zu einem guten Abschluss, der mit der richtigen Portion Dramatik aufwartet. Sie hätte mit einem stringenteren Weg aber mehr herausholen können.

Fazit:
„Das Mädchen mit den Augen aus Gold“ von Tina Videkiss ist ein Fantasy-Debüt, dem man noch viel Ausbaupotenzial zusprechen kann. Protagonistin Felis erlebt ein fantasievolles Abenteuer in dem stimmungsvollen Hyra, dem Land der vier Königreiche. Furchteinflößende Monster, Sagen und Legenden lassen Fantasy-Fans neugierig an den Seiten kleben. Das innovative und gelungene Grundgerüst spricht für sich. An den Charakteren, ihren Entwicklungen und dem Plot erkennt man aber definitiv noch Luft nach oben. Tina Videkiss kann schreiben, ganz klar! In „Das Mädchen mit den Augen aus Gold“ fehlte es für ein unvergessliches Debüt jedoch an Tiefe und dem gewissen Etwas. Ich vergebe gute 3 Lurche.