Rezension

Aufarbeitung

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Bewertet mit 4 Sternen

~~Es sind die 60er Jahre. Eva Bruhns, eine junge Frau, steht kurz vor der Verlobung mit Jürgen. Da stolpert sie in eine Sache hinein, die ihr keine Ruhe mehr lässt. Sie arbeitet als Polnisch-Übersetzerin, doch normalerweise übersetzt sie Verträge oder geschäftliche Verhandlungen. Weil sie niemanden anderen finden, soll sie nun die Aussage eines Zeugen im Ausschwitz Prozess übersetzen. Sie ist vollkommen überrascht, sie weiß überhaupt nicht, was damals passiert ist. Dabei ist es keine zwanzig Jahre her. Wie kann das sein? Und warum wollen ihre Eltern nicht darüber sprechen?
Die Perspektive ist sehr interessant gewählt. Heutzutage lernen Kinder und Jugendliche alles über die Verbrechen der Nationalsozialisten, aber Eva weiß nichts, dabei hat sie zu dieser Zeit schon gelebt, war ein kleines Kind. Ihre Eltern möchten das Thema am liebsten tot schweigen, im ganzen Land gibt es kein großes Interesse an der Aufarbeitung der Verbrechen. Im Laufe des Romans wird sehr gut deutlich, warum das so ist. Und auch, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern sehr viele Graustufen dazwischen.
Natürlich ist das Buch keine historische Aufarbeitung, aber das will es ja auch gar nicht sein. Denn trotz des schweren Themas ist die Geschichte drum herum spannend erzählt. Wie anders war damals noch alles! Als Eva sich verloben will, wird nichts sie selbst gefragt, sondern ihr Vater. Und es wird auch überlegt, ob Eva überhaupt standesgemäß für Jürgen ist. An dieser Spießigkeit der damaligen Zeit konnte ich mich sehr erfreuen.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und  nur widerwillig aus der Hand gelegt zwischendurch. Doch einige kleine Kritikpunkte gibt es doch. Einer der Handlungsstränge (um Evas Schwester Annegret) war mir zu viel und ich weiß gar nicht, was er zur Geschichte beiträgt. Hingegen hätte eine andere Person, David Miller, vielleicht noch etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
Aber das sind eher Kleinigkeiten. Ich empfehle das Buch auf jeden Fall weiter. Es hat mir die Stimmung und Ereignisse in den 60er Jahren ein ganzes Stück näher gebracht und ist eine spannende Lektüre.