Rezension

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Aufrüttelnder und berührender New Adult-Roman…

Someone New - Laura Kneidl

Someone New
von Laura Kneidl

Bewertet mit 4 Sternen

Aufrüttelnder und berührender New Adult-Roman…

Auf Instagram bin ich das erste Mal auf das Buch „Someone New“ aufmerksam geworden. Das Cover war es, was mich sofort angesprochen und gleich in seinen Bann gezogen hat. Und allein aus diesem Grund finde ich es kaufenswert. Rosa und Hellblau wirbeln auf weißem Hintergrund zu einer abstrakten Figur oder so etwas wie einem Schleier/ Nebel / oder einer Flamme auf und das Wort „NEW“ scheint daraus aufzusteigen. Genau das hat meine Neugier geweckt, denn ich hatte anfänglich keine Idee, worauf das Cover abzielt. Wie gut es aber tatsächlich zur Geschichte passt, wurde mir erst im Laufe der Geschichte klar. Wirklich perfekt!

Irgendwie verlor ich das Buch dann aber nochmal aus den Augen, bis ich auf Instagram eine erste Rezension las, die nichts verriet, nur einen super Twist andeutete. Nun wollte ich mehr…

Also nahm ich mir als nächstes den Klappentext vor und der klang interessant, ohne zu viel zu verraten. Es hörte sich nach einem richtig guten New-Adult-Roman an. Genau mein Geschmack.

Das Buch „Someone New“ von Laura Kneidl zog also bei mir ein. Es erschien am 28.01.2019 im LYX-Verlag und spielt in Mayfield in den USA:

Michaella, kurz Micah beginnt in Kürze ihr erstes Semester am College. Auf einer Party zwei Monate vorher lernt sie Julian kennen, der dort kellnert. Er ist ihr auf Anhieb sympathisch und sie hat das Gefühl, er versteht sie. Doch Micahs Mutter erwischt die beiden in einer durch Micah verursachten, missverständlichen Situation und so verliert er wegen ihr seinen Job. Sofort verschwindet Julian und lässt Micah mit einem schlechten Gewissen zurück. Als sie dann ihre eigene Wohnung bezieht, kann sie kaum glauben, dass Julian ihr neuer Nachbar ist und sie will gutmachen, was sie damals verbockt hat. Julian scheint aber kein Interesse daran zu haben und verhält sich sehr distanziert. Er versucht jeglichen Kontakt zu unterbinden. Micah gibt aber nicht auf und so lässt sie Julian keine andere Möglichkeit, als sich doch besser kennenzulernen. Das erweist sich schwieriger als gedacht, denn Julian scheint ein Geheimnis zu haben und hält alle auf Abstand. Micah kann das nicht akzeptieren und kämpft weiter um seine Aufmerksamkeit und sein Vertrauen, ohne zu ahnen, was da wirklich auf sie zukommt. Eine emotional aufwühlende Zeit liegt vor Micah, die geprägt ist von ihrem inneren Konflikt, es allen immer recht machen zu wollen oder aber den eigenen Weg zu gehen, um die eigene Identität zu finden, auch wenn dadurch ggf. Freundschaften oder familiäre Verbundenheit auf der Strecke bleiben.

Gut 11 Tage (an den Abenden) habe ich für dieses Buch gebraucht, das mich insgesamt etwas unzufrieden zurücklässt.

Die beiden Hauptcharaktere sind ziemlich gegensätzlich. Die selbstbewusste, wohlsituierte Micah und der ruhige, distanzierte Julian, der ein Geheimnis zu haben scheint. Beide Protagonisten mochte ich gern, jedoch gibt es aus meiner Sicht ein paar Kleinigkeiten, die mich gestört haben.

Micah soll eine selbstbewusste junge Frau sein, die sehr verständnisvoll und sehr tolerant mit den verschiedensten Themen und Situationen umgeht. Ihre beste Freundin beispielsweise hat sehr jung ein Kind bekommen und holt jetzt ihren Highschool-Abschluss nach. Micah glaubt aber an sie und redet ihr immer zu, wenn Zweifel aufkommen. Auch ihren Bruder möchte sie unterstützen, den die Eltern wegen seiner Homosexualität rausgeworfen haben. Nur sich selbst vergisst sie zwischen den vielen zu bewältigenden Problemen. Es scheint, als ginge es immer um alle anderen. Und für meinen persönlichen Geschmack passt das nicht in jedem Fall zu einer selbstbewussten jungen Frau. Natürlich sollte sie ihren Lieben beistehen und für das Richtige kämpfen, aber doch nicht um jeden Preis. Oder?  (SPOILER ANFANG: Entscheide ich mich gegen eine Elite-Uni, um an meinem Wohnort zu bleiben und meinen Bruder zu unterstützen, der abgehauen ist und sich seitdem nicht mehr bei mir gemeldet hat? Studiere ich etwas, was meine Eltern wollen, nur um die Aufmerksamkeit der Eltern auf mich zu lenken, damit sie die Enttäuschung über ihren Sohn vergessen? Es ist sicherlich Geschmackssache, aber mich hat das nicht so richtig abgeholt und ich finde, es ist ein kleiner Widerspruch in der Figur.) Auch das Micah sehr anhänglich ist und Julian schon fast auflauert finde ich persönlich eher befremdlich. Ansonsten mag ich Micah aber, sie ist sehr offen, ehrlich und vor allem herzlich und hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Und genauso stelle ich mir eine selbstbewusste Protagonistin vor.

Julian ist mir sehr sympathisch. Er ist ein Ruhepol und man spürt schnell, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Bei den schlechten Erfahrungen, die er bis dahin gemacht hat, ist auch nachvollziehbar, warum er sein Geheimnis so lange für sich behält. Ihn finde ich sehr authentisch und liebenswert.

Beide Protagonisten machen eine beobachtbare Entwicklung durch, so dass auch Micah zum Ende hin tiefgründiger und mir immer sympathischer wurde. Spätestens als sie Julian in einer entscheidenden Situation den nötigen Halt gibt, hat sie mich dann überzeugt.

Ein Kritikpunkt, den ich unbedingt anbringen möchte sind die Eltern im Roman. Natürlich geht es bei New-New-Adelt Romanen auch darum, sich abzunabeln und auf eigenen Beinen zu stehen, aber alle Eltern waren durchweg schlecht. Sie akzeptierten die Einstellungen, Entscheidungen oder die Sexualität ihrer Kinder nicht oder sie nörgelten oberflächlich an ihnen herum, weil die Tochter beispielsweise auf ihre Figur achten soll. Zum einen finde ich es dadurch manchmal schon fast wieder klischeehaft, zum anderen hätte ich mir aber irgendwo auch verständnisvolle, positive Eltern gewünscht. So könnte beim Leser / bei der Leserin der Eindruck entstehen, Eltern seien nur auf sich und ihren Ruf bedacht und nicht wirklich am Wohl ihres Kindes interessiert.

Alle anderen Nebenfiguren fand ich sympathisch und unterhaltsam, obwohl ich mir für den ein oder anderen mehr Tiefe gewünscht hätte. Mittlerweile habe ich aber gesehen, dass es Fortsetzungen mit den Nebencharakteren geben wird, auf die ich mich schon sehr freue.

Die Handlung des Buches gefällt mir insgesamt gut, jedoch dauerte es mir persönlich zu lange bis es richtig „losging“. Gerade das erste Drittel empfand ich als sehr langatmig. Dadurch fiel es mir auch schwer am Ball zu bleiben, so dass ich das Buch dann doch schneller mal zur Seite gelegt habe als andere. Die Spannungskurve hätte nach meinem Geschmack früher und steiler ansteigen können.

Ganz besonders war ich nun auf den angekündigten Super-Twist gespannt, der mich dann doch ein bisschen enttäuscht hat (Irgendwie hatte ich mit was anderem gerechnet). Ich glaube aber, das hängt mit der eigenen Einstellung zusammen. Wenn man mit dieser Thematik schon mal in Berührung gekommen ist, dann überrascht es nicht so sehr. Für mich waren, wie ich schon vorhin erwähnt habe, nur die Reaktionen der Eltern unverständlich und haben mich auch sehr bewegt und aufgewühlt. Aus diesem Grund sein Kind zu verstoßen und den Kontakt völlig abzubrechen ist für mich unvorstellbar, auch wenn ich weiß, dass es auch heutzutage noch derartige Konstellationen gibt.

Trotzdem ist es eine wunderschöne, herzerwärmende Liebesgeschichte mit einem wichtigen Thema.

Aber wie liest sich das Buch nun?

Es sind 35 längere Kapitel, die in der ICH-Form aus Micahs Sicht geschrieben sind. Auch wenn ich es sonst gern mag, wenn die Hauptprotagonisten abwechselnd erzählen, hat es mir hier so besser gefallen. Dadurch, dass man nichts aus Julians Blickwinkel betrachtet, wird die Spannung länger aufrecht erhalten.

Bisher habe ich noch kein Buch von Laura Kneidl gelesen. Das wird sich aber ändern, denn ihr Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut: locker und flüssig, sehr unterhaltsam, aber auch sehr emotional. Die Dialoge sind jungendlich und umgangssprachlich und passen perfekt in dieses Genre. 

Besonders gelungen fand ich den Umgang mit der gewählten Thematik und die Darstellung der verschiedenen emotionalen Ebenen der Betroffen.

Mein Fazit nach 550 Seiten:

Someone New zeigt sehr emotional den Weg der eigenen Identitätsfindung und wie schmerzhaft dieser sein kann. Micah begleitet verschiedene Freunde und auch ihren Bruder durch diesen Prozess, bis sie am Ende selbst vor schwierigen Entscheidungen steht, die zum Teil endgültig sind und die wehtun, auch wenn sie genau das nicht wollte.

Wer einen gefühlvollen Liebesroman sucht, in dem auch ernste Themen, wie z.B. Verrat und Vertrauensbruch durch die Eltern, eine große Rolle spielen, der dürfte mit diesem Roman gut beraten sein. Jedoch sollte man sich darauf einstellen, dass manche Situationen/Meinungen/Ansichten aus meiner Sicht heftig und zum Teil erniedrigend sind. Gerade in der heutigen Zeit wünsche ich mir Charaktere, die offen mit Diversität umgehen, v.a. Eltern, die ihre Kinder akzeptieren, wie sie sind.

Von mir erhält dieses Buch trotz meiner Kritikpunkte eine klare Kaufempfehlung (4/5 Sternen), weil das Thema bzw. der Umgang damit interessant, lesenswert und ein Stück weit neuartig ist. Auch die Liebesgeschichte zwischen Micah und Julian ist besonders und vor allem am Ende sehr berührend. Außerdem muss unbedingt der wundervolle Schreibstil von Laura Kneidl genannt werden, der einiges wieder rausgeholt hat. Ein Sternchen ziehe ich insgesamt für meine Kritikpunkte ab, also die aus meiner Sicht zu schwach ansteigende Spannungskurve, die kleinen Widersprüche in der Figur Micah und die negative Darstellung aller Eltern. 

Insgesamt ist es aber ein sehr gelungener Roman, den ich nur weiterempfehlen kann.

Vielen Dank an Laura Kneidl für diese Geschichte.