Rezension

Aufschlussreich, spektakulär, unterhaltsam. Sehr lesenswert!

The Putin Interviews -

The Putin Interviews
von

Bewertet mit 5 Sternen

Ein sehr lesens- und hörenswertes Buch, das einem für viele Dinge die Augen öffnet, spannende Informationen liefert, wichtige Zusammenhänge darlegt und zudem auch ausgezeichnet unterhält.

Preisgekrönter US-Amerikanischer Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Oliver Stone hat im Juni 2017 sein Buch „Putin Interviews“ veröffentlicht. Darin enthalten sind vier Interviews mit dem russischen Staatspräsidenten: Das erste Interview ist von 2015. Das zweite und das dritte von 2016. Das vierte ist von Februar 2017.

 

Bei all dem, was man in der letzten Zeit über Putin aus Leitmedien gehört hat, fand ich es interessant wie notwendig, seine eigene Sicht der Dinge zu erfahren. Und ich muss sagen: Diese Lektüre erwies sich als eine enorme Bereicherung, z.T.  auch als Augenöffner, denn diese Informationen, die Hintergründe und Zusammenhänge, erfährt man aus den Leitmedien wohl kaum. Aufschlussreich und vllt auch schonungslos, liefert dieses Buch vieles, was der dt Öffentlichkeit vorenthalten wurde.

 

Im ersten Interview unterhalten sich die beiden über Putins Werdegang, seine Kindheit in Leningrad (heute St. Petersburg) der Nachkriegszeit, über seine Familie, auch über den 2.ten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf das gesamte Land, z.B. dass die Hälfte der russischen Männer zwischen 17 und 35 infolgedessen tot oder ernsthaft verwundet waren. Zum Thema Krieg kommen sie noch paarmal, um z.B. über die Ursprünge des kalten Krieges, sowie über Stalin, oder auch über die Technologie zur Fertigung der Atombombe und wie sie nach Russland kam, zu reden uvm.

 

Weiter geht es mit der Frage, wie Putin nach seinem Jurastudium im Jahr 1975 zu KGB kam und warum. Über Perestroika und Gorbatschow gibt auch viele interessante Dinge. Putin sagt, wo er Gorbatschows Schwächen sieht und warum seine Politik Russland nicht so gutgetan hatte.  Weiter erzählt Putin, wie er zum 1 Januar 2000 russischer amtierender Präsident wurde, welche Probleme er zu lösen hatte, was für ihn als Erstes zu tun war, usw. Hier, und vielerorts später, offenbart Stone nicht nur seine gute Vorbereitung, er fragte z.B., ob Putin mit Yeltsin, ähnlich wie Chruschow seiner Zeit mit Stalin, auch Wodka trinken musste. Putin verneinte. Stone ist ein geschickter Befrager, der weiß, wie er an die Aussagen seines Gesprächspartners kommt.

 

Eigentlich gibt es kaum ein wichtiges politisches Thema, ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, das hier nicht besprochen wurde: Die Fragen der Auf- und Abrüstung. Die Osterweiterung der NATO und welche Rolle dies im heutigen politischen Geschehen spielt, wie es bei dieser Frage mit Russland und seinem Mitspracherecht und Mitentscheidungswunsch umgegangen wurde, z.B. dass sie oft vor getaner Tatsachen gestellt wurden uvm.

 

Im letzten Interview, von 2017, geht es u.a. um den Tiefen Staat (Deep State) und seiner Rolle im heutigen politischen Geschehen, sowie um die Frage, die heute noch manche Gemüter in USA zur Wallung bringt, i.e. ob Russland auf amerikanische Wahlen 2016 Einfluss genommen hätte. Putin sagt dazu: „You know, this is a very silly statement... We were not hacking the election at all.“ Bei seinen weiteren Ausführungen musste ich an das Buch von Dan Kovalik „Plot to scapegoat Russia“ (2017) denken, in dem der Autor klar sagt, dass die US-Demokraten, unfähig ihre Wahlniederlage anzuerkennen, denn die Blamage, dass sie die Wahlen gegen so einen Kandidaten verloren haben, können sie schlicht nicht ertragen, suchen nun nach fadenscheinigen Erklärungen. Hier ist jede Peinlichkeit recht. Einfacher scheint es, einen Sündenbock zu finden, statt zuzugeben, dass sie keine tragfähige Kandidatur stellen konnten. Und an Noam Chomsky in „Global Discontents“ (2017) musste ich denken, der sagt: In USA gibt es keine Demokraten. Sie nennen sich bloß so, tatsächlich aber, von der Ausrichtung und Gesinnung her sind diejenigen, die sich Demokraten nennen, noch reaktionärer und konservativer als manche Republikaner.

 

Da gibt es noch andere Themen, die im Interview von 2017 besprochen wurden. Julian Assange, WikiLeaks, Cyberkrieg kommen da genauso zur Sprache wie Japan, Korea, Syrien, IS uvm. Zum Schluss geht es um Souveränität. Auch sehr aufschlussreich.

 

Putin erweist sich als ein angenehmer, kluger und vielseitig gebildeter Gesprächspartner mit gut ausgeprägtem Sinn für Humor, der seine Aufgabe gut versteht und seinen Job gut macht. Dieser Meinung war Oliver Stone am Ende der Interviews, was er ihm auch offen gesagt hat. Darauf antwortete Putin: „If they are going to beat you for this, you can come back here to Russia and we’ll help to heal you.“

 

Bemerkenswert finde ich, dass es dieses Buch nicht auf Deutsch gibt, obwohl an wissenswertem Stoff und Brisanz hier keineswegs mangelt. Das Buch gibt es momentan nur in der Originalfassung als Print, E-book und Hörbuch. Auf letzteres wurde ich aufmerksam und habe die 9 St. 45 Min. gern durchgehört, dann E-book dazu geholt. Die Macher des Buches haben Putins Part ins sehr einfache Amerikanisch übertragen, was sie auch am Anfang sagen, sodass man mit gutem Englisch keine Schwierigkeiten mit dem Verständnis der Inhalte haben kann. Die Hintergrundinformationen, von einer Frauenstimme gesprochen, wurden im Hörbuch gleich in den Text eingebaut, sodass man sofort Bescheid weiß, was gemeint ist. Der Sprecher für Putin wurde so gewählt, dass seine Stimme bestimmte Ähnlichkeit mit dem Original aufweist. Für mich hätte es nicht notgetan, aber er spricht deutlich und recht langsam. Jeder kann seine Ausführungen gut verstehen.

 

Fazit: Ein sehr lesens- und hörenswertes Buch, das einem für viele Dinge die Augen öffnet, spannende Informationen liefert, wichtige Zusammenhänge darlegt und zudem auch ausgezeichnet unterhält.