Rezension

Aufstehen, wenn andere den Kopf einziehen

Der Hexenschöffe - Petra Schier

Der Hexenschöffe
von Petra Schier

Bewertet mit 5 Sternen

Rheinbach, 1636: Hermann Löher hat alles, was man sich so wünschen kann. Eine liebevolle Ehefrau, gelungene Kinder, ein gutgehendes Geschäft, den angesehenen Posten eines Schöffen. Doch Letzteres scheint ihn jetzt ganz tief runterzuziehen in den Sumpf aus Verleumdung, willkürlicher Anklage, grausamer Folter und Tod. Denn in Rheinbach werden wieder Hexen verbrannt. Und Löher kann nicht mehr einfach nur zusehen und den Kopf einziehen, auch wenn er damit sich selbst und seine Familie gefährdet.

Dieses Buch macht nachdenklich. Dieses Buch macht wütend. Dieses Buch macht betroffen. Dieses Buch macht aber auch große Lesefreude. Ich ziehe meinen Hut vor der Autorin, dass sie es geschafft hat, dieses Thema so gekonnt umzusetzen. Hermann Löher war eine reale Person, ein Großteil des Geschehens im Buch ist tatsächlich so passiert. Im hohen Alter hat er seine Erlebnisse in der Anklageschrift „Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen“ verarbeitet, ein Werk, das auch heute noch nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Schier stellt jedem Kapitel einen kurzen Abschnitt aus dieser Schrift voran, sodass sich der Leser ein Bild von Löhers Werk machen kann. Auch sonst merkt man dem Buch jede Stunde der ausführlichen Recherche an, egal ob es sich um die Hexenprozesse selbst oder das Brauchtum aus der Rheinbacher Gegend handelt. Das macht das Buch so authentisch und lebensnah. Manchem Leser werden die Folterszenen und Verhöre zu grausam sein, denn die Autorin beschönigt nichts, aber auch gar nichts. So manches Detail des üblichen Prozederes war mir unbekannt und hat mich fassungslos und angewidert zurückgelassen. Aber genauso ist es hundertfach passiert, auch wenn man da heute nur noch den Kopf schütteln kann über so viel menschenverachtendes Tun.

Aber auch die fiktive Seite der Geschichte hat zum Mitfiebern eingeladen, denn das Leben der Familie Löher wird sehr bunt und realistisch geschildert. Die Charaktere, die dieses Buch bevölkern sind sehr gut gelungen. Ob es der reale Hexenkommissar Dr. Möden ist, der gerade durch seine absolut kalte und berechnende Art, die er hinter einem fiesen Lächeln versteckt, noch beängstigender wird. Oder die fiktive Figur der Margarete, die dem Leser langsam, aber sicher ans Herz wächst. Alle sind sehr plastisch gezeichnet und sorgen zusammen mit dem sehr flüssigen Erzählstil dafür, dass man das Buch erst zur Seite legen kann, wenn man die letzte Zeile gelesen hat.

Fazit: ein ausgezeichneter historischer Roman über die Hexenverbrennungen. Keine leichte Kost, aber absolut zu empfehlen.