Rezension

Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein. (Mahatma Ghandi)

Die Farben des Feuers - Pierre Lemaitre

Die Farben des Feuers
von Pierre Lemaitre

Bewertet mit 5 Sternen

1927 Paris. Als ihr Vater, der angesehene und berühmte französische Bankier Marcel Péricourt, stirbt, erbt Tochter Madeleine, deren Exmann im Gefängnis sitzt, das von ihm hinterlassene Bankenimperium. Während der Trauerzug, an dem die gesamte Elite der französischen Gesellschaft und sogar der Präsident der Republik teilnehmen, an der Villa der Péricourts vorbeizieht, fällt Madeleines siebenjähriger Sohn Paul aus dem oberen Stockwerk auf den Sarg seines Großvaters und ist fortan querschnittsgelähmt. Madeleine hat alle Hände voll zu tun, sich um ihren kleinen Sohn und dessen Betreuung kümmern, so dass andere die Möglichkeit haben, sich auf ihre Kosten zu bereichern und ihr Vermögen sowie das der Bank zu veruntreuen. Als Madeleine dahinter kommt, wer sie so schamlos hintergangen und die Bank in den Ruin getrieben hat, schmiedet sie einen Racheplan, den sie auch auszuführen gedenkt…

Pierre Lemaitre hat mit seinem Buch „Die Farben des Feuers“ einen besonders treffenden Titel für seinen Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund gewählt. Sein Erzählstil ist anspruchsvoll, detailreich und bildgewaltig, der Leser versinkt in einer Pariser Zeit zwischen zwei Weltkriegen, wo Frauen noch als nicht geschäftsfähig angesehen wurden und eine leichte Beute für Männer waren, die vor nichts zurückschreckten, um Macht und Geld durch Intrigen und Verschwörungen an sich zu bringen. Durch gekonnt wechselnde Perspektiven gibt Lemaitre dem Leser die Möglichkeit, die Geschichte von allen Seiten und durch viele Augen zu beleuchten, um ein vollständiges Bild zu erhalten und gleichzeitig die damalige Atmosphäre widerzuspiegeln. Dazu gehören auch die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hintergründe, die Lemaitre wunderbar recherchiert und mit seiner Handlung verwoben hat. Schöne Dialoge und auch eine gewisse Situationskomik machen die Geschichte lebhaft und reizvoll.

Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgestaltet, jeder mit einer eigenen Persönlichkeit und den benötigten Ecken und Kanten, die sie so individuell wie authentisch wirken lassen und dem Leser die nötige Spanne fürs Mitfiebern und Mitleiden geben. Madeleine ist mit Leib und Seele Mutter, ihrem Sohn gehört ihre ganze Aufmerksamkeit und Sorge. Das mag für viele naiv wirken, doch verkennt man sie da völlig. In einer der dunkelsten Stunden reißt sie sich zusammen und tritt mit einer Stärke und Intelligenz daraus hervor, dass einem angst und bange werden kann. Man möchte sie auf keinen Fall zum Feind haben. Andere unterschätzen sie völlig und sind drauf und dran, in ihre Falle zu tappen. Gustave Joubert ist ein Mann, der jahrelang im Hintergrund agierte und nun seine Stunde gekommen sieht. Er will auch mal an der Macht und dem Geld schnuppern, möchte auch jemand sein. Das wird ihm irgendwann zum Verhängnis. Vladi ist das polnische Kindermädchen, das zwar kein Wort Französisch spricht, aber für die Familie alles tut. Auch die weiteren Protagonisten sind schön gezeichnet und beleben die Handlung durch ihr Erscheinen.

„Die Farben des Feuers“ ist ein rundum gelungener wunderbarer Gesellschaftsroman vor historischem Hintergrund mit spannender Handlung und anspruchsvoller Sprache. Ein literarisches Meisterwerk, das jede erdenkliche Leseempfehlung verdient!