Rezension

Aus dem Leben einer MILF

Mrs Fletcher - Tom Perrotta

Mrs Fletcher
von Tom Perrotta

Bewertet mit 1 Sternen

Es hätte für mich ein lesenswertes Buch werden können. HÄTTE! Nach dem Klappentext erwartete ich das auch. So viele lobende Worte im Vorfeld und das noch über Themen wie Sex, Liebe und Elternschaft, die nicht nur mich, sondern viele Leser*innen interessieren dürften.

Was ich dann zu lesen bekam, war in seiner Gesamtheit recht banal, nichts besonderes. Die Handlung bezieht sich auf die alleinerziehende, geschiedene Eve Fletcher, 46 Jahre alt und Leiterin eines Seniorenzentrums. Ihr 18 jähriger Sohn Brendan verläßt das Elternhaus, um am College zu studieren. Daraufhin hat/hätte sie Zeit für sich, und Muße ihr Leben neu zu ordnen. Die Story hatte mich recht schnell verloren, da schon zu Beginn für mich die Weichen zwischen Mutter und Sohn falsch gestellt waren. Sie räumt ihm die Sachen fürs College ins Auto und er vergnügt sich derweil in äußerst machohafter und frauenverachtenderweise mit einem Mädchen. Bezeichnende Rollenverteilung! Und das geht so weiter. Die letztendliche Reduzierung auf Sexismus durchzieht das gesamte Buch. Es ist eine Geschichte, die sich leicht lesen läßt, aber nicht berührt, nicht in die Tiefe geht. Es geschieht nichts Wesentliches. So wie hier beschrieben, kann das Leben sein! Für ein gutes Buch reicht mir das nicht. Mir wäre es viel zu wenig, nur auf das Sexuelle, auf gewisse weibliche Körperteile beschränkt zu werden, auf das Gefallen/Nichtgefallen eines Mannes bezogen zu sein. Beide, sowohl die Mutter als auch der Sohn, werden weitgehend aufs Sexuelle herabgewürdigt. Brendan ist ein unreifer Macho, reduziert auf sein Geschlechtsteil, auf Party machen und aufs Rumsaufen. Er war mir sehr unsympathisch. Eve wird als MILF bezeichnet, sie ist scharf, hat straffe Brüste, eine tolle Figur. Schon nach wenigen Seiten ging mir auch Eve Fletcher mächtig auf den Zeiger.

Ich bin immer noch am rätseln, was der Autor mit dem Buch für eine Botschaft übermitteln wollte. Einige Male glaubte ich, dass er doch noch die Kurve bekommt zu einer Geschichte, die einem roten Faden folgt. Leider Fehlanzeige! Tom Perrotta verliert sich viel zu oft in Klischees und versucht alle möglichen gesellschaftlich relevanten Themen in seinem Roman zu verarbeiten. In vorderster Front immer wieder Sexismus in den verschiedensten Varianten, der Besuch von gewissen Porno- und Datingseiten, MILF, Gender, Autismus, Asexualität...

 Eine Frau ist nur dann eine Frau, wenn sie einen Mann an ihrer Seite hat? Das soll man wohl glauben, wenn man den abrupten Wechsel bei Eve Fletcher auf den letzen Seiten gelesen hat? Ihr konnte ich die widersprüchlichen Empfindungen nicht abnehmen. Zum "krönenden" Abschluß nochmal die MILF – Thematik. Ich hatte diese Abkürzung noch nie in meinem langen Leben gehört oder gelesen. Wikipedia half mir auf die Sprünge:

„Mom I’d Like to Fuck (englisch, wörtlich übersetzt: „Mama, die ich gerne ficken würde“). Ich lasse das mal unkommentiert so stehen!

Was ich total vermisste, vergeblich suchte, vielleicht auch nicht verstand (?), ist die „rasende Komik“, die laut Klappentext versprochen wurde.

Fazit:

Mir haben diese etwas über 400 Seiten gereicht. Ich hätte es nicht gelesen, aber der Roman gehörte zu einem Gewinnpaket für ein Leseevent bei Lovelybooks. Die beiden anderen Bücher: "Das wirkliche Leben" von Adeline Dieudonné (topp!) und die Graphic Novel "Die drei Leben der Hannah Arendt“ von Ken Krimstein waren in Ordnung und möchte ich sehr empfehlen.