Rezension

Aus der Sicht des Stalkers

YOU - Du wirst mich lieben - Caroline Kepnes

YOU - Du wirst mich lieben
von Caroline Kepnes

Bewertet mit 5 Sternen

Als die Studentin Beck die Buchhandlung betritt, in der Joe arbeitet, ist er augenblicklich besessen von ihr. Da sie ihren Einkauf mit der Kreditkarte bezahlt, googelt und stalkt er sie virtuell und auch im wirklichen Leben. Als er schließlich ihr Handy an sich bringen kann, überwacht er auch ihre eMails und Socialmedia-Kontakte. Er inszeniert und manipuliert und bald kann Beck gar nicht mehr anders, als sich in den seltsamen, aber irgendwie charismatischen Typen zu verlieben, der wie für sie gemacht zu sein scheint. Joe räumt derweil jedes mögliche Hindernis aus dem Weg, das sich zwischen ihn und Beck drängt.

Hierbei handelt es sich nicht um einen typischen Stalker-Roman, bei dem beispielsweise der eine Ex-Partner nicht vom anderen lassen kann. Sondern wir erleben diesen Roman aus der Sicht und Denkweise des psychisch hochgradig gestörten Joe. Sein einziger Lebensinhalt neben seiner Arbeit darin besteht, eine überstarke Besessenheit für junge Frauen zu entwickeln, diese zu stalken um sie bis ins kleinste Detail kennenzulernen, damit er sie manipulativ für sich gewinnen kann.

Als Leser erlebt man alle Personen und durchlebt die Handlung einzig und allein in der Ich-Perspektive aus dem Blickwinkel von Joes Besessenheit. Sein Denken kreist unentwegt um das Objekt seiner Begierde und jede noch so kleine Kleinigkeit deutet er so, wie es gerade für ihn und seine teils völlig verklärte und manchmal rüde obszöne Gedankenwelt passt. So zieht er für sich völlig logische Schlussfolgerungen, die man als Leser teilweise nachvollziehen kann und doch gleichzeitig den Kopf schüttelt. Es war für mich befremdlich, dass ich darum auch diesen Stalker „verstehen“ konnte oder manchmal über seine Art von Humor schmunzeln musste.

Und genau das machte diesen Roman für mich aus, auch wenn schnell fest stand, dass dieser Protagonist äußerst gefährlich und verabscheuungswürdig ist. Die Autorin hat es geschafft, dass ich der von mir hochgradig verhassten Figur eines Stalkers ein gewisses Maß des Verstehens aufbringen konnte, das ich keinesfalls Verständnis nennen möchte. Diese Grundspannung erzeugte für mich einen unwiderstehlichen Sog, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte. Die Entwicklung und das Ende wurden ab einem gewissen Punkt vorhersehbar, was mich allerdings nicht enttäuschte, sondern letztlich nur eine logische Konsequenz im Handlungsverlauf war.

Mit "Hidden Bodies – Ich werde dich finden" hat Caroline Kepnes bereits im Juni 2016 eine Fortsetzung zu diesem Buch veröffentlicht, die ich in Kürze lesen werde.