Rezension

Aus Sicht einer Krähe

KA - Das Reich der Krähen - John Crowley

KA - Das Reich der Krähen
von John Crowley

Bewertet mit 3 Sternen

Dar Eichling ist nicht einfach irgendeine Krähe. Er ist die erste Krähe, die nach dem Namen der Dinge fragt und sich selbst einen gibt. Er ist auch die erste, die sich in diesem besonderen Maße für das Leben der Menschen interessiert, ihren Fortschritt begleitet und ihre Sprache lernt. Am Ende entfremdet ihn das immer weiter von seinem eigenen Krähenvolk, auf das er seltsam und kauzig wirkt. Allein und krank wird er durch die Welt ziehen, bis er einen Menschen findet, der bereit ist, seine Geschichte zu erzählen.

Es ist schwer, "KA. Das Reich der Krähen" in Worte zu fassen. Die vordergründige Handlung ist schnell erzählt - der Roman begleitet das Leben der Krähe Dar Eichling über eine Vielzahl von Jahrhunderten weg. Denn seit er das "höchst kostbare Ding" von den Menschen gestohlen hat, ist dieser zwar bei ihnen verhasst, aber auch unsterblich geworden. Und so zeigt er sich immer wieder an der Seite der unterschiedlichsten Menschen: zunächst ist da Fuchskopf, eine Weise ihres Volkes, der Dar Eichling den Weg zurück nach Hause weist. Es folgt ein Mönch, mit dem er ins Exil gehen wird und ein als Kind von seinem Stamm geraubter Junge, der später als der heilige Brendan bekannt sein wird. An der Seite von Anna Kuhn wird er Zeuge, wie sehr einzelne Menschen zum Hass fähig sind, bis er am Ende bei dem eigentlichen Erzähler des Romans landet. Ihm erzählt er von sich und von dem Wunsch, seinem unsterblichen Leben ein Ende zu setzen.

Der Roman ist vieles zugleich: 

Historischer Roman - denn es sind die unterschiedlichsten Epochen, die hier durch Eichlings Krähenaugen beschrieben werden. Von der Steinzeit über das Mittelalter und die Entdeckung der Neuen Welt bis in unsere heutige Zeit. 

Biografie - denn es ist Dar Eichlings Leben, das hier erzählt wird, zwar von einem Menschen, aber doch auch aus der Perspektive einer Krähe. Wir erfahren, wie die  Krähe aufgewachsen ist, wie sie den Zugang zur Welt der Menschen fand und welche großen Lieben ihr Leben beeinflusst haben.

Naturroman - immerhin lesen wir einen Roman über Krähen und hier gelingt es John Crowley wirklich außerordentlich gut, das Zusammenleben und die Eigenarten der Vögel zu beschreiben. So erfindet er zum Beispiel eine Sprache mit eigenen Begriffen für Nord (schnabelwärts), Ost (tagwärts) und West (dunkelwärts), ein Wort für Süden benötigen die Krähen nicht. Hier hat der Autor sich wirklich viele Gedanken gemacht und schafft eine angemessene Sprache und Bildhaftigkeit.

Spiritueller Roman - für die Menschen, denen Eichling begegnet, ist er vor allem eines: der Totenvogel. Ein Vogel, der die Seelen in das Reich des Todes, in die Unterwelt begleitet. Ein Reich, das er mit den unterschiedlichsten Menschen und zu den unterschiedlichsten Zeiten betreten wird. Ein Reich, in dem auch er verloren geglaubte Liebste wiederfinden wird. Auch das ist ein Thema des Buches, die altbekannte Frage "Was folgt nach dem Tod?" und damit verbunden auch der Wunsch nach Unsterblichkeit. Dar Eichling hat diesen Zustand erreicht, erstrebenswert scheint er ihm jedoch nicht.

Vielleicht ist genau diese Vielzahl an Genres der Grund, warum es mir schwer fällt, den Roman abschließend zu beurteilen. John Crowley schreibt sehr gut, sprachlich ist ihm hier vieles gelungen - gerade, was die Beschreibung der Krähengemeinschaft betrifft. Dennoch will die Geschichte einfach zu vieles. Der spirituelle Teil war mir oft einfach zu abstrakt, der historische Teil zu schwammig und ungenau, als dass er bedeutsam sein könnte. Fantasy im klassischen Sinne, denn an sich ist der Roman diesem Genre zugeordnet, scheint mir auch nicht die passende Kategorisierung zu sein. Was bleibt ist letztendlich eine geniale Idee, die an einigen Stellen gut umgesetzt wurde, an anderen jedoch krankt. Und schließlich noch mein scheinbar immer wiederkehrendes Thema, der Schluss. Liebe Autoren, wann werdet ihr wieder Enden schreiben, die diese Begrifflichkeit verdienen? 

Fazit: eine gute Grundidee, leider nur mittelmäßig umgesetzt