Rezension

Ausbalanciertes Verhältnis von Pros und Kontras

I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich - Cleo Leuchtenberg, Lisa-Marie Dickreiter, Claudia Brendler

I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich
von Cleo Leuchtenberg Lisa-Marie Dickreiter Claudia Brendler

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt
Dass das Leben nicht immer eine Verkettung glücklicher Ereignisse ist, ist Lilly durchaus bewusst. Aktuell gleicht ihr Leben eher einem Drama als einem Feel-Good-Movie, nachdem Erik, ihre erste große Liebe, ihr das Herz gebrochen hat. Der einzige Lichtblick ist der Hollywood-Blockbuster, für den sie als Synchronstimme der weiblichen Hauptrolle gecastet wurde. Die Arbeit würde ihr unheimlich Spaß machen - wäre da nicht Ben, der ihr bei jedem Aufeinandertreffen Beleidigungen an den Kopf wirft. Wie soll sie mit jemandem Liebesszenen einsprechen, der sie mit absoluter Verachtung begegnet?
Als Ben Lilly das erste Mal trifft, weiß er sofort, in welche Schublade er sie stecken muss: reiches, verwöhntes Prinzesschen. Wäre er ihr auf der Straße begegnet, hätte er sie keines zweiten Blickes gewürdigt, denn Menschen wie sie stehen für alles, was er verachtet. Doch während ihrer Zusammenarbeit sieht sich Ben immer wieder gezwungen, die Schublade, in die er Lilly gesteckt hat, erneut aufzuziehen. Je mehr er über sie erfährt, desto mehr wird ihm bewusst, dass Lillys Leben nicht so prinzessinnenhaft ist, wie er gedacht hat. Und dass in diesem Märchen möglicherweise Lilly die gute Fee ist, die seine Wünsche wahr werden lassen könnte.

Meine Meinung

Mein erster Eindruck vom Buch war ausgesprochen positiv. Ich bin sehr gut in die Geschichte reingekommen und war entsprechend zum Weiterlesen motiviert. Ich habe gleich ein gewisses Mitgefühl für Lilly entwickelt, da sie offensichtlich gerade unter dem Ende einer Beziehung leidet. Der Erzählstil passte da auch meiner Meinung nach sehr gut: relativ kurze Hauptsätze, fast schon sachliche Schilderungen des Geschehens, vermischt mit Lillys Gedanken und Gefühlen. Auf mich persönlich hat das so gewirkt, als würde für Lilly gerade alles unwirklich sein, als könne sie das Geschehen nur portionsweise verarbeiten, Stück für Stück. Als würde sie unter Schock stehen. Das hat mich sofort gepackt und in die Geschichte hineingesogen. Nun folgt jedoch gleich das große Aber: So lobenswert ich diesen Stil auch empfunden habe, gegen Ende hatte er eher den gegenteiligen Effekt auf mich. Die kurzen Sätze, die teilweise nicht zu Ende geführt wurden, und daher wie lose Gedanken in der Luft schwebten, haben meinen Leserhythmus zunehmend beeinträchtigt. Es wirkte abgehackt, gehezt, hart und eben auch unvollständig. Bei einem Thriller oder einer actiongeladenen Geschichte hätte ich das ganz passend gefunden (bei Rick Yancey hat das zum Beispiel wunderbar zur Atmosphäre beigetragen), bei dieser Lovestory hat es aber in den "wichtigen" Momenten verhindert, dass bei mir romantische Stimmung aufkam. Ich steh dem sprachlichen Ausdruck also mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Aber zurück zu den Protagonisten. Ich empfand es etwas paradox, wie introvertiert und unsicher Lilly war, wenn man bedenkt, dass sie Schauspielerin ist. Ich möchte nicht behaupten, dass (überspitzt ausgedrückt) Schauspieler/innen generell geltungsbedürftige Egomanen sind, aber für ein Leben im Rampenlicht sollte man doch zumindest ein gesundes Selbstvertrauen haben, oder sehe ich das falsch? Abgesehen davon empfand ich Lilly aber als angenehmen Charakter: zwar kein herausragender, aber sie hat mich auch nicht in den Wahnsinn getrieben. Dafür hatte ich ja Ben. Eigentlich fand ich auch ihn unmittelbar am Anfang okay. Was ich aber gar nicht an ihm leiden konnte, waren seine Vorurteile gegenüber Lilly und die damit verbundene passiv-aggressive Art. Natürlich zieht das darauf ab, dass zwischen den beiden erst mal dicke Luft herrscht und es so viel interessanter mitzuverfolgen ist, wie die beiden umeinander herumschleichen. Trotzdem hat er mit diesem Verhalten des Öfteren meine Nerven strapaziert. Auch, nachdem ich seinen Background kannte, mangelte es mir manchmal an Verständnis für ihn. Das ging mir aber tatsächlich nur so, wenn er mit Lilly zusammen war. Wenn er auf sich allein gestellt war, hatte ich keine Probleme mit ihm.
Lange Zeit erschien mir die Chemie zwischen den beiden also nicht zu stimmen. Zum Glück kam ich dann doch noch an den Punkt, an dem ich das anders empfunden habe, und so haben sie irgendwann in der zweiten Hälfte dann doch noch mein Herz erweicht. Vielleicht, weil ich ab da überzeugt war, dass ihre Gefühle wirklich Zeit zum Wachsen und eine Grundlage hatten und nicht rein auf "magischer Anziehung" basierten. Trotzdem muss ich ehrlich sagen, dass Lilly und Ben für mich auch am Ende kein Paar gewesen sind, das mir unter die Haut gekrochen ist.
Was ich aber wirklich ohne Wenn und Aber klasse fand, war das ganze Drumherum. Speziell die detaillierten Informationen zum Handwerk eines Synchronsprechers, den Casting- und Tagesabläufen und den Sprech- und Stimmtechniken waren toll. Das war a) aufschlussreich und b) hat es sehr viel Authentizität vermittelt. Da merkt man, dass eine Hälfte des Autorenduos aus der Branche kommt. Dieser Part ist also wirklich super gelungen! Da wünscht man sich direkt mehr Bücher über Synchronsprecher (außerdem weiß ich ihre Arbeit jetzt deutlich mehr zu würdigen).

Mein Fazit

Angefangen bei den Protagonisten bis hin zum Schreibstil hat ILYHNLNILD bei mir sehr viele konträre Gefühle ausgelöst: Von absoluter Begeisterung bis Frustration war fast alles dabei. Die jeweiligen Hintergründe von Ben und Lilly fand ich zum Beispiel ganz interessant und als individuelle Charaktere mochte ich sie ganz gerne. Nur mit den beiden als Pärchen habe ich lange Zeit gehadert, weil die Chemie zwischen den beiden auf mich forciert wirkte. Meine persönlichen Pros und Kontras halten sich letztlich die Waage, deswegen werde ich den Roman zwar nicht in die Riege meiner Lieblingsbücher aufnehmen, einen Fehlgriff habe ich damit aber ganz sicher auch nicht gemacht.

Rezension auf Buntes Tintenfässchen