Rezension

Ausflug ins Alte Ägypten

Das Mädchen und der Totengräber -

Das Mädchen und der Totengräber
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Kulturhistorischem Museum zu Wien wird die Mumie des Mitglieds des Altertumsvereins entdeckt. Auch andere Vereinsmitglieder verschwinden nach und nach. Ob da ein Fluch ägyptischer Mumien, deren Gräber sie einst entdeckten, dahintersteckt?

Wieder ein spannender Fall für die Tatortfotografin Julia und den jungen Komissar Leo im Wien der Jahrhundertwende. Während Leo zum Fundort der Professor-Mumie geführt wird, wird Julia zu einem Tatort mit einem kastriertem Stricherjungen als Opfer geschickt. Aber nicht genug: Im frisch eröffneten Wiener Tiergarten wurde unweit eines "Hottentotten-Dörfchens" ein Tierwärter zerfleischt, doch seine Leiche ist bereits beiseite geschafft worden, bevor die Polizei eintrifft. Das Pärchen hat allerhand zu tun.

Natürlich treffen sie dabei wieder auf den Totengräber des Zentralfriedshof, der gerade an einem neuen Werk über verschiedene Totenkulte schreibt und auf die Fette Elli, der Mutter der leichten Mädchen und Vermieterin Julias. Genauso kommt das Mädchen Anna wieder vor, das ja im vorherigen Band beim Totengräber Unterschlupf fand.

Die Geschichte fängt wieder richtig spannend an. Sehr wissensreich sind die Ausschnitte aus dem neuen Buch der Totenkulte, wo doch so manche ekelige und skurrile Bestattungsrite erklärt wird. Als Einstieg in die Geschichte werden wir gleich mit der Rückblende über die Expedition der Altertumsforscher in Ägypten genommen. Die Szene als der Professor im Wüstensand versinkt und die Grabeskammer einer Mumie findet ist so sehr zum Mitfiebern. Und dann zurück in Wien bei Julia und Leo wird es sehr,  sehr ekelig, als die beiden zu ihren neusten Fällen gerufen werden. Nicht nur, dass beschrieben wird, wie der Professor mumifiziert wurde (man zog ihm das Gehirn durch das Nasenloch heraus etc.) oder das Gemetzel an den jungen Männern, das so ungemein widerlich ist, auch die ganzen rassistischen Vorurteile werden sehr direkt und vor allem anhand der Häuptlingsfamilie im Zoo beschrieben.

Zudem bietet das neue Buch wieder jede Menge schwarzen Humor, der Totengräber muss sich schließlich die Fürsorge vom Hals schaffen, sehr viel Lokalkolorit und viele Themen aus dem Fin de Siecle bzw. der Wiener Moderne. Dabei ist anzumerken, dass sich Leo hier zum reichen, dekadenten Dandy entpuppt, was ihn leider zunehmend unsympathisch macht. Dies führt auch zu einer Kluft zwischen ihm und Julia. Man darf gespannt sein, wie sich die Liebesgeschichte der beiden weiterentwickelt. Derweil flirten sie mit den letzten Kontaktpersonen der Mordopfer, der verführerischen Femme Fatale Rapoldy und dem Tierpfleger, der Julias Tochter das Leben rettet.

MIr gefielen auch die Beschreibungen der Wiener Umgebung sehr gut. Gerade die Ausflüge von Julia mit ihrer Tochter Sisi wurden so bildlich schön beschrieben. Oder auch das Anwesen, die Villa Theben, der Ägypten-vernarrten Rapoldys, die sich quasi eine eigene Pyramide erschaffen haben.

Allein die Auflösung des Falls wurde ein bisschen plump und leicht absurd aufgetragen, was aber nichts mit dem Sinn dahinter zu tun hat. Lest selbst!

Insgesamt hat es wieder sehr viel Spaß gemacht, einen historischen Krimi aus Wien von Oliver Pötzsch zu lesen, da er mit Spannung, Witz und recherchiertem Hintergrundwissen punkten kann und dabei nicht vergisst, den Leser zu gruseln. Ich freue mich auf den nächsten Band, der am Ende schon angedeutet wird.