Rezension

Ausführliche Familienbiografie mit einigen Längen

Alles Geld der Welt - John Pearson

Alles Geld der Welt
von John Pearson

Bewertet mit 2.5 Sternen

Anders als es Cover und Klappentext vermuten lassen, handelt es sich bei diesem Buch nicht um die literarische Aufarbeitung der Entführung von Jean Paul Getty III, sondern hauptsächlich um die Biografie der kompletten Familie Getty, ausgehend von Jean Paul Getty Senior. Jean Paul Getty sen. hat sein Vermögen im Ölgeschäft gemacht und war der reichste Amerikaner seiner Zeit, da er aber auf sozialer Ebene Probleme hatte, feste Bindungen einzugehen und so eine unnatürliche Kälte seiner Familien gegenüber an den Tag legt, hilft ihm alles Geld der Welt nicht, um das Unheil, das er damit anrichtet, von seiner Familie fernzuhalten. Im Buch werden die verschiedenen Zweige der Familie Getty beleuchtet und die Werdegänge von Söhnen und Enkeln beschrieben. Die Entführung eines der Enkel (Jean Paul Getty III) durch die Mafia wird dabei nur in einem (längeren) Kapitel aufgegriffen.

Der Titel ist recht gut gewählt, weil Jean Paul Getty tatsächlich „alles Geld der Welt“ zu besessen haben schien, noch besser allerdings gefällt mir der Originaltitel „painfully rich“, der den Grundtenor der ganzen Biografie beschreibt: Der Reichtum scheint nur Schmerz und Tragödien in die Familie zu bringen. Die Hintergründe und Zusammenhänge dieser Tragödien werden in dem Buch ausführlich beleuchtet. Von vielen Personen, allen voran natürlich von Jean Paul Getty I, werden Charakterzüge und Wesenseigenheiten dargelegt und erklärt, sodass man als Leser das Gefühl hat, die Familie ein bisschen zu kennen, wenn man schon viele Handlungen und Entscheidungen nicht direkt nachvollziehen kann als Außenstehender. Es ermöglicht Einblicke in ein "System", das einem als Normalverdienenden Bürger kaum vorstellbar erscheint, sowohl in wirtschaftlicher wie auch in sozialer und persönlicher Art und Weise.

Der Schreibstil ist sehr detailreich und oft sind die Sätze unnötig verschachtelt, sodass das Lesen nicht ganz leicht fällt. Auch viele Aufzählungen kommen vor, vor allem von Namen mehr oder weniger berühmter Persönlichkeiten. Ich weiß nicht, ob es nur mir so gegangen ist, weil das alles doch so sehr deutlich „vor meiner Zeit“ war und mir deshalb die Mehrheit der erwähnten Leute so unbekannt war, aber ich fand es oft ermüdend, mir durchzulesen, wer dieses oder jenes Haus vorher besessen hat oder wer alles zu Besuch war. Bei einigen mag das ja durchaus interessant sein, um den gesellschaftlichen Einfluss ermessen zu können, den die Familie hatte, aber mir war es zu viel.

Woran ich mich auch nicht so richtig gewöhnen konnte, waren die Zeitsprünge. Oft wusste man gar nicht, zu welcher Zeit man sich gerade befand, weil Ereignisse aus der Vergangenheit eingewebt wurden oder Parallelen zu den anderen Familienzweigen gezogen worden sind, die aber zu einer ganz anderen Zeit stattgefunden haben.

Manche Tatsachen und Geschehnisse waren meines Erachtens nach sehr subjektiv dargestellt und irgendwie haben mir Quellenangaben und Zitate (aus Interviews, Presse, ect.) gefehlt, um dem ganzen einen „seriösen Eindruck“ zu geben. Manchmal kamen mir Personenbeschreibungen sehr voreingenommen vor und ich fragte mich, ob der Autor die Sympathien der Leser nicht absichtlich in die eine oder andere Richtung lenkt.

Wichtig war für mich der Stammbaum am Anfang des Buches, um den Überblick wenigstens halbwegs zu behalten, da viele Ehen und Scheidungen und Kinder von verschiedenen Frauen die Verhältnisse verkomplizieren, noch besser hätte es mir gefallen, wenn der Stammbaum ausklappbar gewesen wäre, sodass ich ihn beim Lesen neben dran gehabt hätte. So hab ich halt viel blättern müssen. :)

Alles in allem eine interessante Biografie über eine Familie, die mir überraschenderweise fast gänzlich unbekannt war, die aber einige Längen aufwies und etwas überladen wirkt.