Rezension

Ausgeklügelt, weitreichend, spannend

In unseren Herzen die Welt - Virgil Kane

In unseren Herzen die Welt
von Virgil Kane

In diesem ersten Roman von Virgil Kane verhandelt der Autor eine Vielzahl an Themen aus aktuellen Gesellschaftsdebatten, wobei das Hauptaugenmerk auf der Definition von Leben im Rahmen einer zunehmenden Vitualisierung liegt. Dabei erfahren wir Schritt für Schritt - oder besser "Protokoll um Protokoll" - mehr von einzelnen Akteuren, welche alle durch verschiedene, schicksalhafte Ereignisse miteinander verbunden sind. Besonders die ersten beiden Personen Phil und Katy begleiten wir im Buch besonders lang und ausführlich. Phil, der durch das Platzen eines Hirnaneurysmas mit einer stark veränderten Persönlichkeit erwacht, Katy die ihn später auch noch zusätzlich in einen Unfall verwickelt. Weitere Personen, die am Ende an der "Katastrophe" teilhaben, welche bereits im Klappentext benannt wird, treten ebenso auf und vervollständigen das Puzzle der Geschehnisse.

Die Erzählstimmen der unterschiedlichen Charaktere variiert angenehm zwischen den Personen, der Schreibstil des Autors ist sprachlich stets ansprechend. Leider ist aus meiner Sicht das erste Kapitel mit allein 252 Seiten zu umfangreich geraten. Der Ich-Erzähler schweift mitunter doch stark aus in seinen Schilderungen und Gedankengängen, sodass man kaummehr von einem "Protokoll" sprechen kann. Außerdem wird einem Erzählstrang um die Person Ahmed sehr viel Raum gegeben, der so nicht notwendig gewesen wäre. So wird das Lesen dieses ersten Drittels des Buches doch mitunter zäh. Dies verändert sich sofort mit dem Beginn des zweiten Kapitels um Katy. Dieses ist inhaltlich rasant erzählt und so spannend und mitreißend, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Wobei man es manchmal regelrecht aus der Hand legen muss...bei fast 700 Seiten und einem Kampfgewicht von 1 kg! Aus meiner Sicht hätte im ersten Drittel ungefähr die Hälfte der Seiten eingespart werden können, um das Buch insgesamt etwas knackiger werden zu lassen.
Die letzten beiden Drittel des Buches lesen sich zügig weg, der Leser wird mitgerissen und es gibt viele Ideen, Hypothesen und philosophische Gedankengänge geboten, die den eigenen Neokortex anregen.
So interessant, wie die Buchunterschrift "Die van Pelt Protokolle" auch klingen mag; es handelt sich nicht um Protokolle, die wir hier lesen. Es wird gezielt die vierte Wand durchbrochen und der Leser demnach direkt angesprochen. Außerdem äußern die Protagonisten viele subjektive Gedankengänge oder Fantasiereisen, die zum eigentlich "Tathergang" nicht beitragen. Das macht das Lesen abwechslungsreicher und ist auch gut so; passt aber eben nicht zu klassischen Protokollen. Auch vermittelt der letzte Satz des Klappentextes ("Diese [Theorien über Hergang und Auslöser] schlussendlich zu beweisen, gelang den Ermittlungsbehörden jedoch bis heute nicht.") ein ungenaues Bild von der Art des Romans. Durch diesen Satz, könnte man schnell denken, es handle sich um eine Art Krimi. So ist es keinesfalls. Ich würde das Buch eher als Kontemplation über gesellschaftsrelevante Themen mit viel Spannung beschreiben. Klingt natürlich nicht so knackig. Das Cover erscheint meines Erachtens auch nicht vollends zu passen, da es recht romantisch wirkt.

Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um ein gelungenes Erstlingswerk, welches ich definitiv grundsätzlich und im Speziellen Lesern empfehlen möchte, die z.B. Filme wie "Transcendence" oder "Der Mann mit zwei Gehirnen" mochten. Was nun Johnny Depp mit Steve Martin zu tun hat, müsst ihr euch schon selbst er-lesen :P