Rezension

Ausgezeichneter historischer Roman

Henkersmarie - Astrid Fritz

Henkersmarie
von Astrid Fritz

Bewertet mit 5 Sternen

„...Und es lag kein Fluch darin. Nur Trauer und Verzweiflung...“

 

Wir schreiben das Jahr 1525. In Nürnberg soll eine junge Frau als Kindsmörderin hingerichtet werden. Der Henker bringt eine Gnadenbitte vor und heiratet die Frau. Die Stadt Nürnberg dürfen sie ab sofort nicht mehr betreten. Obiges Zitat stammt aus dieser Situation .Was jeder Henker tunlichst vermied, war hier passiert. Er hatte der jungen Frau in die Augen gesehen.

Dann wechselt die Geschichte nach Rothenburg in das Jahr 1533. Dort lebt im Klingenviertel der Henker mit seiner Familie.

Die Autorin hat einen ausgezeichnet recherchierten, spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Das Buch ließ sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Im Mittelpunkt der Handlung steht die Familie des Scharfrichters. Detailgenau werden die vielfältigen Aufgaben des Nachrichters, wie der Scharfrichter oder Henker auch genannt wird, in der damaligen Zeit wiedergegeben. Die Informationen sind geschickt in die abwechslungsreiche Handlung eingebettet. Gleichzeitig wird deutlich, dass Scharfrichter nach einigen Jahren in der Regel in einen anderen Ort zogen. Die Gründe mögen meist nicht die gleichen wie im Roman gewesen sein. Das aber gab der Autorin die Möglichkeit, die unterschiedlichen Lebensverhältnisse und Arbeitsaufgaben des Henkers in den Städten darzulegen. Eines war allen Wohnorten gemeinsam. Der Henker wurde zwar dringend benötigt und nicht schlecht bezahlt, aber er galt als Ausgestoßener. Die Regelungen, wie sich der Scharfrichter in der Öffentlichkeit zu kleiden und zu bewegen hat, waren mehr oder weniger streng je nach Stadt.

Diese Tatsache nutzt die Autorin gekonnt, um zu zeigen, wie die Kinder der Familie damit umgehen. Während Veit, der älteste Sohn, schon in jungen Jahren mit Begeisterung davon spricht, den Beruf des Vaters ergreifen zu wollen, hat Maria Probleme, das liebevolle Wesen des Vaters mit seinem blutigen Handwerk in Einklang zu bringen. Außerdem fällt es ihr schwer, das Ausgestoßensein und nie Dazuzugehören zu akzeptieren.

Neben der fesselnden Handlung fällt des weiteren der Schriftstil des Buches positiv ins Gewicht. Land und Leute werden sehr genau beschrieben. Dafür findet die Autorin treffende Metapher und schöne Sprachbilder. Die Darstellung der Emotionen gibt Einblicke in die psychischen Tiefen der Persönlichkeiten. Die Zurückhaltung der Mutter, das Verständnis der Vaters für die Probleme seiner Kinder, Marias nicht nur geheime Wünsche nach einem Leben ohne Ausgrenzung und Veits Lust an Prügeln sind nur einige der Themen. Zu den berührendsten und tiefgehenden Momenten gehören für mich die innigen und offenen Gespräche zwischen Maria und ihren Vater. Er kann die Wut seiner Tochter verstehen und geht behutsam darauf ein.

Angenehm fand ich, dass Hinrichtungen nur am Rande eine Rolle spielten und nur, wenn für die Handlung notwendig, so kurz wie möglich beschrieben wurden. Gleichzeitig deutet sich an, dass der Beruf kurz vor einem Wendepunkt stand. Mit der aufkommenden Inquisition werden sich die Schwerpunkte verschieben.

Ein Nachwort der Autorin und ein Glossar schließen das Buch ab.

Das Cover mit dem jungen Mädchen auf der Bank vor der mittelalterlichen Stadt passt zur Handlung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich durfte Maria durch die Kindheit und Jugend als Henkerstochter begleiten und ihre Entwicklung verfolgen. Gleichzeitig habe ich viel über einen verachteten und doch vielschichtigen Beruf erfahren.