Rezension

Ausgezeichnetes, spannendes Debüt über eine unselige Verstrickung.

Janusmond - Mia Winter

Janusmond
von Mia Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Die dunkle Seite des Seins - ein unheilvolles Göttergesicht.

Es war die Zeit der „Hexenhitze“, die Wochen, in denen die Temperaturen in Louisson, der südfranzösischen Stadt mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern und der ehrwürdigen Universität La Valuse über die 40 Grad Marke hinausgingen. Die Menschen litten unter der Hitze, in den verwinkelten Gassen und verborgenen Bars und Freudenhäusern regierten abartige erotische Obsessionen zur Befriedigung irregeleiteter Phantasien und der Canal du midi, der die Stadt mit dem Mittelmeer verband, stank nach Fäulnis und Verwesung wie ein vergammeltes Rattenloch.

Und in dieser Zeit wartete Leon Bernberg im Kommissariat von Louisson auf Inspektor Christian Mirambeau, um mit seiner Hilfe nach dem Verbleib seiner Zwillingsschwester Lune zu forschen, deren Spur sich vor über zehn Jahren hier verlor.

Eigentlich benötige er nur die erforderlichen Papiere um sie für tot erklären zu lassen, damit er nicht länger auf eigene Kosten Sorge für ihre Liegenschaften tragen müsse, erläuterte er zur Erklärung, aber ganz so problemlos gingen solche Dinge bei Mirambeau nicht vonstatten. „Jeder Mensch verdient es, dass man sich ein wenig um ihn kümmert“ meinte der Inspektor, und obgleich sein Kollege Uldis Melville aus der Abteilung Tötungsdelikte es als überflüssig verwarf, begann er Nachforschungen zu betreiben und geriet damit in einen unheilvollen Sog, der ihn immer stärker erfasste und drohte sein Leben zu zerstören. Lune, die den Erzählungen zufolge eine unheilvolle Gewalt über die Menschen hatte, denen sie begegnet war, deren Zuneigung den Anderen zu verzehren vermochte, der nicht von ihr lassen konnte, obwohl er die Gefahr erkannte, schien ihre Macht weiter auszuüben, als führe sie immer noch ihr ungezügeltes, exzessives Leben, befinde sich immer noch unter den Lebenden oder werde durch die sehnsüchtigen Träume eines liebenden Zwillingsbruders auf dieser Welt gehalten. Zwei brutale Morde geschahen während dieser Zeit. Beide Männer kannten Lune und hatten sie begehrt....... eine unheimliche Marschroute, auf die sich der Inspektor mit seinen Recherchen begab. Welche Rolle spielte Leon, der die Briefe der Schwester las wie die Offenbarungen einer Geliebten? Und welche Rolle spielte Mirambeau selbst, wußte er das wirklich am Ende noch?

Mia Winter ist hier ein hervorragendes Debüt gelungen. Die Geschichte der miteinander verstrickten Zwillinge, die in einem Monat geboren wurden, der zwei volle Monde hatte und sie damit der Sage nach zu unheilvollen „Januszwillingen“ machte, erhält dadurch bereits ihren ersten, düsteren Stempel. In Briefen, Erinnerungen, Ereignissen und Charakterbeschreibungen drängt sich dem Leser eine Welt auf, in der Perversion, schwüle Lustgefühle, Grausamkeit und sklavische Zuneigung ihren Platz unter den menschlichen Eigenschaften aufzeigen. In atmosphärischer Dichte und flüssiger Sprache verschafft die Autorin der dunklen Seite des Daseins eine Stimme, die verstörend wirkt, und den Leser fast sprachlos macht. Mit Spannung verfolgt er den Verlauf der Ermittlungen und erwartet ihr Ende mit ungeduldiger Begierde und ahnungsvoller Furcht. Auch für ihn ergibt sich die „doppelgesichtige Janus – Situation“, die seine Empfindungen spaltet und Zerrissenheit in seine Gedanken bringt, die eine Gratwanderung vollziehen. „Ich fühle mich an manchen Tagen so frei, dass ich das Gefühl habe, als könne ich fliegen, endlich frei von den alten Geschichten“, sind Lunes Worte an einer Stelle des Romans. „Aber die wirkliche Freiheit gibt es nur, wenn wir tot sind“, weiß Leon.

Für mich ist dieser Roman sehr außergewöhnlich. Die Autorin nimmt sich Zeit für detaillierte Schilderungen und schafft es dennoch, ein vibrierendes Spannungsgefühl für herannahendes Unheil im Leser zu erzeugen. Eine ungewöhnliche Story wurde hier ausgefallen gekonnt in Szene gesetzt.

Von mir erhält das Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung.