Rezension

Ausnahmezustand Familie

Der größte Spaß, den wir je hatten
von Claire Lombardo

Bewertet mit 3 Sternen

Seit 40 Jahren sind Marilyn und David Sorenson verheiratet. Vier Töchter haben sie groß gezogen, kleine und größere Schicksalsschläge überstanden. Doch dann taucht plötzlich ein neues Familienmitglied auf, das das bisherige Familiengefüge gehörig uns Wanken bringt.

Claire Lombardo hat mit ihrem Debütroman „Der größte Spaß, den wir je hatten“ eine üppig erzählte Familiengeschichte vorgelegt. Marilyn und David sind beide Studenten in den 1970ern, als sie sich kennen und lieben lernten. Es kommt wie so oft im Leben ein Kind, dann noch eines, zuerst Wendy, dann Violet. Für Marilyn ist statt irischer Lyrik plötzlich das Mutter- und Hausfrauendasein „der größte Spaß, den sie je hatte“, während David Arzt wird. Auch nach zwei weiteren Töchtern, Liza und der Nachzüglerin Grace, hat die Ehe jedoch Bestand, ist Maßstab für das eigene Glück der Töchter.

Es sind viele Höhen und Tiefen, die die Familie Sorenson in diesen 40 Jahren erlebt haben, viele alltägliche Menschlichkeiten, kleine Dramen und große Verluste. Die guten und die schlechten Zeiten gab es im Eheleben von Marilyn und David genau so, auch wenn die schlechten Zeiten manches Mal in sentimentaler Erinnerung etwas verklärt werden.

Wendy, die Älteste, heiratet nach einer rebellischen Jugend reich. Doch kein Geld der Welt schützt vor Krankheit und Verlust. Wendy ist die Zynikerin in der Familie für mich in der Familie und für mich die authentischste Person der ganzen Geschichte.

Violet ist die Perfektionistin, mit Bilderbuchfamilie und einem großen Geheimnis, während Liza gerade eine Kind erwartet, aber keinen Mann dazu vorzuweisen hat.

Und Grace, das Nesthäkchen. Mir scheint hier schreibt Claire Lombardo ein bisschen um ihr Leben (Wenn man die dürftigen biografischen Angaben zur Autorin aus dem Klappentext mit Graces Leben vergleicht.)

Dann taucht unerwartet Jonah auf, das Kind, das Violet vor 15 Jahren zur Adoption freigegeben hat. Ein lang unterdrückter Konflikt zwischen Wendy und Violet bricht aus. Aber gleichzeitig bringt Jonah, der Jugendliche mit eigentümlicher Altersweisheit, bringt auch viel Dinge wieder ins Lot, die vorher in Schieflage waren.

Familie kann man sich nicht aussuchen, aber wie man miteinander in der Familie umgeht sehr wohl. Diese Erfahrung können die  Sorensons bis zum Schluss immer wieder machen. Und ich habe sie auf den vorliegenden über 700 Seiten auch recht gerne begleitet, hatte manchmal schon fast das Gefühl, dazuzugehören. Was man aushalten sollte, ist das „amerikanisch dramatische“ und den Hang zu Kosenamen und der inflationären Verwendung der Bezeichnung „Süße“ oder „Kleine“. Generell könnte ich mir eine Verfilmung der Geschichte gut vorstellen, mit Jennifer Aniston in allen fünf weiblichen Hauptrollen, da ist enorm viel Stoff für Gefühle.  Der Schluss selbst war mir dann noch einen Tick zu sehr harmonisch und gefällig. Ein bisschen wie bei den Waltons. Alle haben sich lieb. Gute Nacht!