Rezension

Ausschweifend erzählt und mit vielen inhaltlichen Wiederholungen

Lycidas - Christoph Marzi

Die uralte Metropole - Lycidas
von Christoph Marzi

Bewertet mit 3 Sternen

Emily Laing lebt im Waisenhaus von Mister Dombey, als sie eines Tages von einer Ratte angesprochen wird, die sie bittet, sich um Mara, einen der Neuzugänge des Waisenhauses zu kümmern. Kurz darauf wird Mara entführt – von einem Werwolf – und für Emily beginnt ein unglaubliches Abenteuer, in dem sprechende Ratten und Werwölfe noch die kleinste Überraschung sind, da gibt es nämlich auch noch u. a. Engel und Götter und auch um Emily selbst gibt es ein Geheimnis …

Lycidas ist ein Fantasyschmöker, wie ich sie gerne mag – dachte ich. Die Erzählung ist eine Mischung aus geschichtlichen Ereignisse, historischen Persönlichkeiten, Legenden, Mythen und Märchen, literarischen Anspielungen und sogar Religion und somit eigentlich eine interessante Sache.

Leider bin ich nach dem Lesen des Buches sehr zwiegespalten. Sicher, der Roman weiß zu fesseln (stellenweise), ist interessant allein durch die darin vorkommende Vielfalt von Wesen und baut auch eine gewisse Spannung auf. Die Spannung hat aber einen Antagonisten, der hier ziemlich oft die Oberhand gewinnt: die Langeweile. Diese Langeweile entsteht durch die Langwierigkeit der Erzählung. Christoph Marzi erzählt nicht nur sehr ausschweifend, er wiederholt sich auch gern, viele Szenen werden gleich mehrfach erzählt – und zwar ohne dass dies handlungsrelevant wäre. Und obwohl ich Zitate aus Romanen sonst vermeide, hier muss ich (aus dem rezensierten Roman selbst) zitieren: „Die Hölle sind die Wiederholungen“!

Auch sonst ist Lycidas nicht immer nach meinem Geschmack. Ich kann z. B. keinen wirklichen Zugang zu den Charakteren finden, wobei mir vor allem Emily, die Hauptfigur, oft ziemlich auf die Nerven geht. Abgesehen davon, dass sie nicht immer klug handelt (nun, sie ist noch recht jung, zunächst 12, später 13 Jahre alt), auch das ständige Problematisieren ihres körperlichen Makels wird mir schnell zu viel, auch hier schlägt Marzis Wiederholungsliebe zu. Aber auch die anderen Charaktere kommen mir nicht wirklich nahe. Am ehesten noch Mortimer Wittgenstein, Alchimist und Emilys Mentor, der als Ich-Erzähler fungiert. Zu ihm erhält man dadurch doch einen gewissen Zugang.

Wittgenstein ist zwar der Ich-Erzähler, erzählt aber auch Vieles, bei dem er gar nicht zugegen war. Das kann manchmal irritierend sein, stört aber nicht wirklich. Mehr stören könnten allerdings die vielen Sprünge. Die Erzählung springt zeitlich vor und zurück, es gibt einige Rückblenden zu Ereignissen, die vor längerer Zeit stattfanden, aber auch die aktuellen Geschehnisse werden selten chronologisch erzählt. Auch zwischen den Figuren gibt es viel Hin und Her. Da Wittgenstein nicht nur Ich-Erzähler ist sondern auch allwissender Erzähler, hat er diese Möglichkeit der Erzählung, zudem macht er des Öfteren Andeutungen, die erst viel später aufgelöst werden (manchmal hunderte von Seiten später) oder er beginnt eine Szene, die er erst viel später auflöst. Das soll wohl Spannung erzeugen, funktioniert aber nur bedingt, nervt auch hin und wieder.

Der Roman ist sehr düster und eher für Erwachsene als für Jugendliche (oder gar Kinder) geeignet. Christoph Marzi hat zudem einen Hang zum Dramatischen, oftmals zum übertrieben Dramatischen und dann wird es auch schon einmal etwas kitschig.

Lycidas ist der Beginn einer Trilogie. Ob ich die anderen Bände auch lesen würde, wenn ich sie nicht schon hätte, weiß ich nicht, wahrscheinlich eher nicht, aber so werde ich die Trilogie zu Ende lesen – und, wer weiß, vielleicht vermögen mich die anderen beiden Teile noch zu fesseln, dieser konnte es leider nicht wirklich.

Insgesamt ein Roman, den man lesen kann, aber nicht muss, für mich hat der Roman nichts Besonderes. Da er mich trotz aller Längen aber doch stellenweise fesseln konnte, vergebe ich 3 Sterne.