Rezension

Ausschweifende Familiengeschichte

Das Seehaus
von Kate Morton

Bewertet mit 2.5 Sternen

Dieses Buch hat gute Ansätze. Es ist wirklich hübsch erzählt und hat eine richtig gute Idee.

Hier wird tatsächlich mal ein Geschehnis in der Vergangenheit plausibel und spannend mit einem modernen Handlungsstrang verknüpft.

1933 ist auf einem Landgut in Cornwall ein kleiner Junge spurlos verschwunden. 2003 stolpert die Polizistin Sadie über genau jenes Landgut, das inzwischen halb verfallen in einem verwilderten Garten steht. Ihr Interesse ist geweckt. Sie nimmt Kontakt auf mit Alice Edevane, der das Haus gehört, die allerdings seit 70 Jahren nicht mehr dort war, seitdem ihr kleiner Bruder verschwunden ist.

 

Alice ist inzwischen eine berühmte Schriftstellerin. Schon als kleines Mädchen hat sie das Schreiben für sich entdeckt. Ihre Mutter hingegen ist eine Berühmtheit, weil sie den Schriftsteller Dafydd Llwellyn zu seinen sagenhaften Kinderbüchern inspiriert hat. Dafydd Llwellyn war früher Arzt, konnte aber seinen Beruf nicht länger ausführen und fing an, Märchengeschichten zu schreiben, mit der abenteuerlustigen Eleanor als Hauptfigur. Als Freund der Familie lebte er auch auf dem Landgut in Cornwall zu der Zeit, als die Tragödie stattfand. Warum eigentlich? Das hat die Autorin übersehen, wenn auch sonst nicht viel.

 

Es fängt hübsch an, eine nette Familiengeschichte mit einem finsteren Geheimnis, aber dann kommt man sehr schnell ins Schwimmen. Die Autorin holt sehr weit aus. Rückblenden über Rückblenden gehen zurück bis in Eleanors Kindheit. Und selbst wenn man meint, sich gerade in der Gegenwart zu befinden, weil über dem Kapitel dick „2003“ steht, kann es passieren, dass sich Alice dann doch wieder an ihre Jugendzeit erinnert und zwar ausführlich.

 

Ausführlichkeit ist hier Programm. Keine Vergangenheit bleibt unbeleuchtet. Selbst die Geschichte des ehemaligen Kindermädchens Rose wird beleuchtet, könnte sie doch theoretisch den kleinen Theo entführt haben. Ausführlich wird auch jedwedes Ambiente beschrieben. Es grünt, blüht und wuchert überall in Cornwall zu allen Zeiten. Ich habe jede Menge Vögel kennengelernt, von denen ich noch nie gehört habe. Dieses Buch ist gründlich, man könnte es sogar weitschweifig finden. Es lädt zum großzügigen Überblättern ein.

 

Fantasie kann man der Autorin nicht absprechen. Geschickt führt sie den Leser immer wieder auf falsche Fährten. Irgendwann traut man sogar verschiedensten Menschen einen Mord zu. Hier hat jeder ein dunkles Geheimnis. Zwischenzeitlich schwirrt einem nur so der Kopf vor lauter Geheimnissen. Es ist ein bisschen zu viel des Guten, zu viel, zu lang, zu ausschweifend und an vielen Stellen zu weit hergeholt. Die Auflösung ist nahezu wundersam.

Musste die Autorin unbedingt 600 Seiten erreichen? Auf die Hälfte gekürzt, hätte es ein tolles Buch sein können. So langweilt man sich inmitten der tragischsten Ereignisse.  

 

Fazit: Eine spannende Familiengeschichte, die in unglaublicher Weitschweifigkeit untergeht und letztendlich langweilt.

 

 

 

 

 

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 04. März 2018 um 16:22

Ich finde es gut, dass deine Bildung erweitert wurde und du endlich mal die englische Fauna kennenlerntest! Man muss auch die kreative Schreibweise von David honorieren, Dafydd Llwellyn. Und gleich drei Schriftsteller, Alice, David und Kate. Es grünt so grün wenn alle Blüten blühen ... was hast du denn für ein dunkles Geheimnis? Jeder hat doch. Die Neugier plagt mich.