Rezension

Außergewöhnlich, anders und unglaublich gut!

Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Der Gesang der Flusskrebse
von Delia Owens

Bewertet mit 5 Sternen

Kya ist 6 Jahre alt, als ihre Mutter sie und ihre Familie verlässt. Wenig später gehen auch die Geschwister. Keiner denkt daran Kya mitzunehmen und so bleibt sie allein bei ihrem gewalttätigen Vater zurück. Als sie 10 Jahre alt ist, verschwindet auch ihr Vater und kehrt nie mehr zurück. Kya hält sein Verschwinden geheim und lebt fortan ganz allein mitten im Marschland North Carolinas. Sie liebt es dort, die Vögel, die Natur. Ihre einzigen Freunde: die Möwen im Marsch und ein farbiger Ladenbesitzer und seine Frau.
Als Kya erwachsen wird, findet sie sich plötzlich in einer Dreiecksbeziehung wieder. Tate kennt sie schon seit sie klein war und er war auch ihr erster Freund, bis er sie verließ um aufs College zu gehen. Chase füllte die Lücke aus, die Tate hinterließ, doch er was für Absichten hat er Kya gegenüber? Und was, wenn Tate zurückkommt? 

1969 wird Chases Leiche im Sumpf gefunden und die Menschen, die sich im Amerika der 1960er Jahre sowieso nicht gerade durch Toleranz hervorgetan haben, verdächtigen bald das „Sumpfgesindel“, das „Marschmädchen“. War es wirklich Kya, die Chase umgebracht hat, oder jemand anderes? Hat sie als Sumpfmädchen überhaupt eine Chance gegen die Mühlen der Justiz und deren Vorurteile?

Ich weiß, durch diese Kurzbeschreibung des Inhalts klingt das Buch wie eine Mischung aus Liebesroman und Krimi, aber es steckt so viel mehr darin! Das meiste kann ich nicht verraten, sonst würde ich spoilern, aber ich versuche im folgenden einfach dem Buch gerecht zu werden.

Die Handlung wechselt zwischen Gegenwart (1969) und Vergangenheit (beginnend 1952). In der Gegenwart beginnt die Handlung mit dem Leichenfund und den Ermittlungen. In der Vergangenheit geht es um Kyas Kindheit und erwachsen werden im Marsch und Sumpf, ganz allein mit der Natur und Tieren als einziger Gesellschaft. Immer wieder unterbrochen von Landschaftsbeschreibungen, die einer Liebeserklärung an das Marschland und den Sumpf gleichkommen. Man sieht dieses unglaubliche Ökosystem mit Kyas Augen und kann einfach nicht anders, als sich ebenfalls zu verlieben.

Das Buch behandelt unzählige Themen, wie z.B. Vorurteile, Mobbing, Rassismus, Naturschutz und noch viele mehr. Kya ist anders und dadurch eckt sie an. Sie wird als Abschaum tituliert und ist den weißen Bewohnern der Stadt nichts wert. Sie verbreiten bösartige Gerüchte über sie und die jungen Männer sehen in ihr nur eins: Beute. Kya weiß nichts über Rassentrennung und versteht nicht, warum Jungs den älteren Farbigen, der sie unterstützt beschimpfen und sogar mit Steinen bewerfen. Doch es ist ein Farbiger Mann, der ihr beisteht, als es niemand anderes tut. Für Kya ist das Marschland und die dort lebenden Tiere ihre Familie. Ein anderes Leben kann sie sich nicht vorstellen und wann immer sie kann versucht auch sie dem Land beizustehen.

Das Buch hat mich erschüttert und mehr als einmal zu Tränen gerührt. Kya tat mir schrecklich leid und gleichzeitig kann ich nicht anders als sie dafür zu bewundern, wie sie sich durchgeboxt hat und was für ein wundervoller Mensch aus ihr geworden ist. Sie wurde so oft von so vielen enttäuscht aber trotzdem macht sie immer weiter. Sie hat keine Vorurteile, lebt im Einklang mit der Natur und hegt so gut wie nie einen Groll gegen jemanden.

Der Schreibstil ist etwas ganz anderes. Es gibt viele detaillierte Naturbeschreibungen, auf die dann ganz plötzlich die Handlung folgt, oft mit einem krassen Stimmungsumbruch. Man erlebt alles mit Kya, obwohl das Buch nicht mit einem Ich-Erzähler geschrieben ist. Manchmal klingt sogar fast ein Allwissender Erzähler durch (für die habe ich einfach eine Schwäche). Der Aufbau mit den zwei Handlungsebenen, die sich erst langsam, später dann mit rasender Geschwindigkeit aufeinander zubewegen. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe es in einem Rutsch gelesen und bin so froh, dass ich es entdeckt habe. 

 

Fazit: dieses Buch ist etwas ganz besonderes. Es ist mit keinem Buch zu vergleichen, dass ich je gelesen habe (und ich habe schon mehr Bücher gelesen, als mir jemals jemand glauben würde). Es steckt so viel darin, so viele Themen werden behandelt. Dieses Buch ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an das Marschland und Gesellschaftskritik. Ich weiß nicht, in welches Genre ich es einordnen könnte. Es ist einfach etwas ganz anderes. 

Absolute, uneingeschränkte Leseempfehlung!