Rezension

Außergewöhnlich und mitreißend

Licht und Schatten
von Zoran Drvenkar

Bewertet mit 5 Sternen

„Licht und Schatten“ ist eine phantastische Geschichte. Inhaltlich dicht, eindringlich beschrieben und souverän erzählt.

Die Geschichte spielt sich Anfang des 18. Jahrhunderts zur Zeit Peters des Großen in Russland ab. Die Halbwaise Vida lebt mit ihrem Vater, einem Schmied, in einem Dorf in Sibirien. Vida ist ein besonderes Kind. Ihre Mutter hat sie zur Welt gebracht, damit sie das Licht auf die Welt zurückbringt, kurzum: sie soll die Menschheit retten. Denn die ist in Gefahr, seit sich vor zwei Millionen Jahren mit der Eifersucht die erste aller negativen Emotionen und mit ihr das Schlechte auf der Welt ausgebreitet hat.

Bald werden die bösen Mächte auf Vida aufmerksam. Durch Zufall, und auch erst mit zehn Jahren Verzögerung. Denn so lange hat ihre Familie es geschafft, Vida unerkannt aufzuziehen. Als das Mädchen einen Raben aus einem Weidenbaum befreit, ertönt der Klang der ersten von sieben Schalen und läutet damit das Erwachen ein. Von nun an wissen die dunklen Kräfte, dass die Prophezeiung sich erfüllt und ihre Gegenspielerin die Welt betreten hat.

Jetzt wird es ernst für Vida, ihren Vater und auch für ihre drei Tanten, die sich im Fels über dem Dorf ein Haus eingerichtet haben, damit sie Vida beschützen und unterrichten können. Das Böse schickt seine Späher und lauert Vida in unterschiedlichen Gestalten auf. Mit den Schwestern ihrer Mutter hat sie eine
Leibwache, die, ausgestattet mit beeindruckenden Kräften, bis ans Äußerste geht, um sie zu schützen.

Unvorhersehbare Wendungen fordern Vida, die einen klaren Verstand und eine arglose Gesinnung besitzt, auf ihrem Weg immer wieder neue Entscheidungen ab. Sie trifft zahlreiche Mitstreiter, deren Bedeutung für den Fortgang der Geschichte erfrischenderweise nie vorhersehbar ist. Manchmal sind sie sofort tot. Manchmal
ziehen sie einfach ihrer Wege. Nur einzelne werden Vida bis zum Schluss begleiten. Was bemerkenswert ist: Jede dieser Figuren besitzt Hintergrund, Charakter und dazu ein Motiv. Selbst die, die für den Fortgang der Geschichte gar nicht wichtig sind. Das ist Qualität.

Vorgriffe und Rückschauen geben in diesem Buch keine Rätsel auf, sondern werden behutsam angekündigt. Dabei ist nichts wirklich vorhersehbar, der Leser ist meistens genauso überrascht von den Ereignissen wie die handelnden Personen. Auch emotional bleibt es lebhaft: Abgrundtief traurige Szenen wechseln sich ab mit Ereignissen von gleichmütiger Grausamkeit – um dann möglicherweise mit einem kleinen Witz am Rande garniert zu werden. Die Erzählung mündet schließlich in einen finalen Kampf, der sich gewaschen hat.

Insgesamt ist „Licht und Schatten“ ein außergewöhnlich guter, sorgfältig ausgearbeiteter, mitreißender Fantasy-Roman, den man nicht weglegen kann und höchstens zum Schlafen unterbricht. Das Buch wird vom Verlag für Jugendliche empfohlen, es wird aber durchaus den Ansprüchen erwachsener Leser gerecht.