Rezension

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außerordentlich gut geschriebener Thriller, der unter anderem in Nordkorea spielt

Stern des Nordens - D. B. John

Stern des Nordens
von D. B. John

Achtung, mit Spoiler

 

Der Thriller von D. B. John „ Stern des Nordens“ ist zunächst ein typischer CIA-Krimi mit den üblichen Protagonisten. Würde er nicht hauptsächlich in Nordkorea spielen. Asienkenner finden in typischen Essensritualen und Verkaufsverhalten auf den Märkten zum Beispiel vor und in Bahnhöfen Parallelen zu anderen Ländern der Region. Wäre da nicht diese unsägliche Familie, die das ganze Land in Beugehaft nimmt und teile der Gesellschaft in riesigen Umerziehungslagern gnadenlos ausbeuten würde. Dabei werden Familien mit mehreren Generationen für Verbrechen jedweder Art verhaftet. Viele können nie wieder freikommen, lernen ein Leben außerhalb vom Gefängnis niemals kennen, werden dort geboren, um dort zu sterben, nach einem Leben voll von Gewalt, Erniedrigungen, Hunger und mehr. So beschreibt es der Autor und in anderen veröffentlichten Bücher von dort Geflüchteten.
Um es grundsätzlich vorwegzunehmen: es ist ein spannender Thriller, mit zum Teil tiefgehenden Abschnitten aus den Leben der Protagonisten, bei denen man sich hineinversetzen kann, nicht aufhören möchte zu lesen. Und dabei muss nicht unbedingt alles ausführlich beschrieben sein, es reicht, wie es der Autor gemacht hat, kleine Andeutungen zu machen, um der Leserschaft begreiflich zu machen, wie tiefgreifend die Veränderungen bei manchen sind, und diese manchmal unveränderlich. Der Schreibstil wirkt routiniert flüssig, die Drehungen und Wendungen warten mit so mancher Überraschung auf, bis zur letzten Seite. Und der Clou ist natürlich, dass der Thriller Einblicke in eine uns unbekannte Welt bietet, Nordkorea, von der man meint, sie spielt sich auf einem anderen Planeten ab.
Drei Hauptpersonen, um die sich alles dreht, hat sich der Autor ausgedacht. Da ist zunächst Jenna Williams, die seit zwölf Jahren ihre Zwillingsschwester vermisst. Ihre Mutter hält sie für tot, doch Jenna, Jee-min, selbst glaubt nicht so recht daran. Sie hofft, sie irgendwo wiederzufinden. Verschwunden ist die Schwester, Soo-min, während eines Ausfluges mit einem jungen Mann auf einer Insel in Südkorea. Jenna ist klug, sportlich, diszipliniert, sprachlich gewandt und daher interessant für den CIA. Wie immer bei Thrillern helfen Zufall und Timing, dass sie das Angebot dort mitzuarbeiten nicht ausschlagen kann und will. Denn sie wird für Nordkorea eingesetzt, dorthin, wo sie ihre Schwester vermutet.

Als nächstes gibt es die Marktfrau Moon. Ihr seit langen Jahren arbeitsloser Ehemann kann nichts zum Unterhalt beitragen, nur als Bäuerin tätig kommt nicht genug zum Leben zusammen. Ständige Überprüfungen ihrer Habseligkeiten durch den perfekt durchorganisierten Staat machen ihr das Leben zur Hölle. Als sie ein Hilfspaket aus dem Ausland findet, sieht sie in den kostbaren Keksen, die dem Paket beiliegen, ihren Start ins Glück. Durch Bestechung aber noch viel mehr durch ihren Mut riskiert sie viel, findet ihren Platz bei den Essensständen auf dem Markt. Doch kann ihre Stimme dem Widerstand genug Aufwind geben? Im Laufe der Geschichte entwickelt sich eine Dynamik, die an Überraschungen nicht spart.
Anhand des Parteifunktionärs Cho, der dritten Hauptperson, lernen wir viel über die Strukturen des Staates und wie er funktioniert. Als Cho befördert werden soll, wird seine Lebensgeschichte bis in die dritte Generation zurück durchleuchtet. Denn nur wer einen tadellosen Hintergrund aufweisen kann, dem gebühren die höchsten Ehren. Wer aber nur den Ansatz von Kritik oder gar im Auge des Staates Verbrechen gegen diesen ausgeübt hat, selbst wenn es die Großeltern waren, der wird mitsamt der kompletten Familie verbannt. Statt seines Vorgesetzten soll er nun eine Delegation anführen, um im verhassten Westen Gelder einzutreiben. Sein Bruder, selbst hoher Funktionär, gibt ihm ein geheimnisvolles Paket mit, das er im Diplomatenkoffer über die Grenze bringen soll.
Dadurch, dass Jenna mit der Sprache vertraut ist, lässt die CIA unter anderem sie mit Cho und seinen Delegierten verhandeln.

Die zeitliche Komponente in diesem Thriller, er ist auf mehrere Jahre angelegt, ist allerdings irritierend. Und zwar deshalb, weil man über Monate hinweg nichts darüber erfährt, was denn nun mit Jenna in dieser Zeit passiert. Das ist schade, da habe ich mehr erwartet. Trotz dieses Manko´s kann ich dieses Buch nur empfehlen.