Rezension

Authentisch, ehrlich & berührend ...

Ein kleines Wunder würde reichen - Penny Joelson

Ein kleines Wunder würde reichen
von Penny Joelson

Bewertet mit 5 Sternen

Jemma ist in ihrem Körper gefangen, sie kann sich weder bewegen noch sprechen. Sie ist auf Hilfe angewiesen und das bekommt sie von ihren Adoptiveltern, die sich für Kinder mit Behinderung liebevoll aufopfern. So gibt es in diesem Haushalt nicht nur Jemma, sondern auch Finn, der Autist ist und Olivia, die zwischen Hyperaktivität und Wutausbrüchen hin und her pendelt. Aber auch Sarah ist ein Bestandteil der Familie, obwohl sie als Pflegerin nur für Jemma da ist, kümmert sie sich rund um alles mit. Für Jemma ist Sarah ein wichtiger Teil ihres Lebens und liebt es, wenn diese ihr Geheimnisse anvertraut. Nur eins kann Jemma gar nicht leiden, Sarahs Freund Dan. Der gern abends mal vorbei kommt, den Charmeur gibt und nur Jemma sein wahres Gesicht zeigt. Immer wenn sie allein sind, schenkt er ihr besondere Bosheiten und traut ihr sogar ein fruchtbares Geheimnis an, weil er genau weiß, dass sie es keinen erzählen kann. Was würde Jemma doch dafür geben, allen zu offenbaren, was für ein Mensch Dan doch ist. Und dann verschwindet Sarah. Wo ist sie? Steckt Dan dahinter? Jemma will unbedingt helfen, aber wie?

Als ich damals den Klappentext gelesen hatte, war ich sofort neugierig. Wie wird sie die Figur beschreiben, wie sieht ihr Leben aus und welches Wunder wird es wohl geben. Ich bewundere Menschen, die ganz leicht und ungezwungen mit behinderten Menschen umgehen können. Leider gehöre ich nicht dazu und schwebe immer in einem Zustand der Hilflosigkeit und der Hemmung dahin. Es ärgert mich immer maßlos, wenn ich nur danebenstehe und nicht weiß, was ich machen soll, aber diese Schamgrenze will einfach nicht weichen. Total frustrierend, um so interessanter trotzdem einen Weg zu finden, doch in den Kopf eines behinderten Mädchens schauen zu dürfen und dort tut sich Unglaubliches auf. Wie mir nun dieses kleine Wunder gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Jemma ist vierzehn Jahre alt und leidet an Zerebralparese und ist Quadriplegikerin. Das bedeutet, das sie keine Kontrolle über ihre Arme und Beine hat, oder überhaupt irgendetwas. Sie kann ohne fremde Hilfe nichts machen und das Schlimmste, wie ich finde, sie kann sich nicht verständlich machen, da sie nicht sprechen kann. Jede Möglichkeit, des Zwinkerns oder des Fingers bewegen, haben sie durch und so ist Jemma in sich eingeschlossen. Aber das bedeutet nicht, dass sie ein unglückliches Mädchen ist, die keine Tagesbeschäftigung hat. Sie geht zur Schule, liebt es gute Bücher vorgelesen zu bekommen, schaut gern Quizsendungen und versteht ihren autistischen Bruder wohl besser, als jeder anderer. Aber wenn man etwas auf dem Herzen hat, kann Jemma es nicht mitteilen und sie würde so gern einiges los werden. Vor allem da ein Brief für sie ins Haus flattert, der ihre Welt umwirbelt und ihr Leben unglaublich bereichert. So ist sie auch nicht mehr ganz abgeneigt zu dem College zu fahren und einen Professor zu treffen, der sich mit erweiterten Sprachmöglichkeiten auskennt. Obwohl Jemma erst Angst hatte, das ihre Eltern sie abgeben möchten. Aber dann verschwindet Sarah und Jemma will unbedingt mitteilen, wer der Täter ist.

Ich kann gar nicht in Worte beschreiben, wie sehr mich Jemmas Schicksal berührt hat und wie herausragend ich diese Pflegeeltern empfand. Immerhin kümmern sich diese beiden nicht nur um ein behindertes Kind, nein sie haben mehr oder minder drei. Für jedes Kind muss man das richtige Wort haben, die Situationen richtig einschätzen können und jeden die Aufmerksamkeit schenken, die es benötigt. Ich wäre mit einem schon völlig überfordert und wüsste gar nicht, wo mir der Kopf steht. Diese Arbeit müsste viel mehr honoriert werden. Tja und dann auch Jemma, die in ihrem Körper eingeschlossen ist und der neuen Pflegerin nicht sagen kann, dass sie nur körperlich behindert ist und nicht geistlich. Dass sie durchaus auf dem Niveau einer Vierzehnjährigen denken kann und nicht gern Bilderbücher anschaut oder Kinderlieder hört. Was muss das für ein Gefühl sein, dem ohnmächtig entgegen zu stehen. Unglaublich tapfer dieses Mädchen, kämpferisch und sympathisch.

Die Autorin setzt ganz klar, die Behinderung in den Vordergrund. Räumt mit Vorurteilen auf, lässt einen in die Welt der Kinder schauen und öffnet so die Wahrnehmung des Lesers. Auch die technischen Möglichkeiten lässt sie nicht unerwähnt und allein das, ist schon unglaublich lesenswert. Aber dabei belässt sie es nicht, sondern strickt noch einen Nachbarschaftsmord und eine Entführung mit rein. Das hält die Geschichte unglaublich am Laufen, man steckt mit Jemma zusammen im Körper und möchte so gern und kann nicht. Dieser Kampf ist authentisch geschrieben, ohne zu übertreiben und mach aus dieser Geschichte eine wahre kleine Heldin.

Ein kleines Wunder würde reichen ist eine Geschichte über ein Mädchen, was kämpft und über sich selbst hinauswächst. Authentisch, ehrlich und so unglaublich Horizont öffnend. Dieses Buch ist eine Wucht!