Rezension

Authentisch und emotional

Der tröstende Duft von Rosinenschnecken - Regine Wroblewski

Der tröstende Duft von Rosinenschnecken
von Regine Wroblewski

Bewertet mit 5 Sternen

Inhaltsangabe:

Die 36jährige Anne Hartmann ist Single, als sie beim Einkaufen auf den 13 Jahre älteren Dirk Jakobsen trifft. Hals über Kopf verlieben sie sich ineinander und nach einiger Zeit beschließen beide, die Zukunft gemeinsam zu verplanen. Die Zweisamkeit währt nur kurz. Seine hochschwangere Tochter Miriam und sein introvertierter Sohn Florian ziehen bei ihnen ein. Und als ob dies nicht schon genug wäre, zieht auch noch Dirks demenzerkrankte Mutter Helga ein. Ob Anne all dem gewachsen ist? Schließlich wollen Dirk und sie bald heiraten, aber da schlägt das nächste Schicksal zu. Wie wird Anne mit all den neuen Herausforderungen fertig? Wird aus der Zweckgemeinschaft eine Familie?

 

Der tröstende Duft von Rosinenschnecken ist ein Roman von Regine Wroblewski. Ich muss gestehen, dass weder Cover noch Buchtitel gerade ein Eyecatcher sind. Vielleicht oder gerade deshalb, weil ich mir unter diesem Titel keine Geschichte vorstellen konnte, musste ich den Klapptext lesen und dieser hat sehr schnell meine Neugierde geweckt. 

 

Der Schreibstil ist leicht, aber so ausdrucksstark, emotional und bildhaft. Sofort tauchte ich in Annes Geschichte ein und ab. Es war nicht nur ein lesen, sondern ich schaute Anne über die Schulter und begleitete sie auf ihren nicht gerade leichten Weg. Anne hat sofort in meinem Herzen einen Platz erobern können, aber nicht nur sie. Alle anderen Charaktere wurden sehr authentisch, glaubhaft und lebendig dargestellt, so als ob man sie direkt aus dem Leben gegriffen hätte. Für mich ist es einfacher, wenn ich mich mit den Personen identifizieren und so in ihr Handeln hineinversetzen darf. Was hier mehr als nur gelungen ist. In diesem Roman erzählt Regine Wroblewski die Geschichte von Anne, die sehr spät ihre große Liebe trifft. Dirk und sie schmieden große Zukunftspläne, aber wie das Leben nun mal spielt: es kommt anders als man denkt.  Dirks Mutter Helga erkrankt an Demenz. Sie und seine beiden Kinder ziehen kurzerhand bei ihnen ein. Das Zusammenleben mit den beiden Kindern und der kranken Mutter gestalten sich schwieriger als vorhergesehen. Anne wäre nicht Anne würde sie sich den Problemen nicht stellen und so übernimmt sie kurzerhand die Verantwortung. Zudem hat sie ja noch Dirk an ihrer Seite. Doch der nächste Schicksalsschlag lässt nicht lange auf sich warten. Dirks plötzlicher Tod wirft das komplette Familienleben aus der Bahn. Jetzt heißt es ein Leben ohne Dirk, mit seinen Kindern und Helgas Krankheit aufzubauen. Als wäre dies nicht schon genug, hält das Leben von Anne auch noch eine Überraschung für sie parat. 

Im ersten Moment klingt alles so negativ: Tod, Abschied nehmen, Trauer und Krankheit! Und mal Hand auf Herz: wer liest schon gerne Bücher über solche Themen? In erster Linie möchte man unterhalten werden und die Alltagssorgen über Bord werfen. Dies bestätige ich nur allzu gern, aber dieser Roman hat mich eines Besseren belehrt. Regine Wroblewski hat sich all diesen Themen angenommen und daraus Annes Geschichte kreiert. Sie erzählt von Annes aktuelle Lebenssituation, die durch zahlreiche Rückblicke bereichert wird. In diesen Rückblicken lernen wir ein junges Paar kennen, die verliebt ihre gemeinsame Zukunft planen.  Ich empfand dieses Zusammenspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit nahezu perfekt. Annes momentane Gefühlswelt wird brillant eingefangen und wieder gespiegelt. Authentisch und emotional schildert die Autorin die Gefühlswelt von Anne und lässt den Leser daran teilhaben. Ich spürte die Wut, dass man Anne den Mann ihrer Träume weggenommen hat, die Angst jetzt das Leben allein meistern zu müssen und die Verzweiflung, dies nicht zu schaffen. Aber nicht nur Anne spielt eine große Rolle, sondern auch Helga, deren Demenz unaufhörlich fortschreitet. Anschaulich wird der Krankheitsverlauf mit all seinen Facetten aufgezeichnet. Hinzu kommen noch die beiden Kinder von Dirk, deren Verlust von ihrem Vater enorm ist, aber die Trauer eine andere Sprache spricht. Von jetzt auf gleich beginnt auch für die beiden ein komplett neues Leben, in dem sie erwachsener werden sollen. Wo vielleicht der Vater noch Hilfestellung geben könnte, müssen sie jetzt eigene Entscheidungen treffen. Gerade für die junge Mutter Miriam ist die Lage besonders schlimm. Ohne Hektik hat Regine Wroblewski es geschafft, Anne an ihrer neuen Lebenssituation wachsen zu lassen.  Zu gerne würde ich wissen wollen, wie es mit Anne und Co weitergehen wird. Vielleicht kommt noch ein Fortsetzungsroman.

 

Der tröstende Duft von Rosinenschnecken ist das beste Buch, dass ich in diesem Halbjahr 2020 gelesen habe. Danke an die Autorin, dass ich Anne auf ihrem Weg in den neuen Alltag begleiten durfte.

5 von 5 Sternen und eine absolute Leseempfehlung!