Rezension

Authentisch und glaubwürdig

Wer war Alice
von T. R. Richmond

Bewertet mit 5 Sternen

Alice Salmon war erst 25 Jahre alt, als sie eines Morgens leblos im Fluss gefunden wurde. Eigentlich wollte sie am Abend zuvor nur Freunde treffen, stattdessen durchlebte sie die letzten Stunden ihres Lebens. Aber was ist passiert? Ist sie wirklich gestürzt, weil sie zu viel getrunken hat, wie die Polizei vermutet? War es ein tragischer Unfall? Die Nachricht ihres Todes verbreitet sich wie ein Lauffeuer, auch über Facebook und Twitter. Gleich werden Vermutungen angestellt, über sie, ihr Leben und ihren Tod. Auch ihr ehemaliger Professor Jeremy Cooke ist erschüttert. Er macht sich daran, herauszufinden, was in der Nacht tatsächlich geschah, und sammelt alles über Alice. Er schreibt sogar ein Buch über den Fall. Nur warum ist er so engagiert? Was hat er zu verbergen? Was haben ihr Exfreund Luke und ihr Freund Ben mit der Sache zu tun? Und wer war Alice?

Meine Meinung: 
Man hört und liest viel Schlechtes über das Buch. Es wird bemängelt, dass der Aufbau und die Zeitsprünge verwirrend sind, dass die Personen unsympathisch sind, dass das Ende unglaubwürdig ist... Und ich muss einfach dagegen halten und sagen "Nein - ICH finde diese Geschichte großartig."

Das Buch besteht aus Briefen, Tagebucheinträgen, Tweets, E-Mails und die Zeiten wechseln von Abschnitt zu Abschnitt. Mal lesen wir Dinge aus der Vergangenheit, mal aus der Gegenwart. Ich muss sagen, dass ich absolut nie verwirrt war. Wenn man einmal raus hat, wann was passiert ist und sich einfach nur die Jahreszahl merkt, ist das absolut leicht verständlich. Man kann das Buch zwar nicht mal so nebenbei lesen, aber das liegt nicht an den Zeitsprüngen. Ich finde eher, dass die Geschichte und der Schreibstil schon etwas von einem abverlangen. Man muss genau lesen, man muss wirklich in der Geschichte drin sein, weil sonst so viel was zwischen den Zeilen steht verloren geht. Die Geschichte ist meiner Meinung nach nämlich absolut tiefsinnig und überbringt auch extrem viel Gefühl. Ich muss zwar anderen Leuten zustimmen, dass die Charaktere nicht wirklich sympathisch sind, den kaum einer hat wirklich liebenswerte Eigenschaften. ABER dieses Buch beschäftigt sich eher mit den negativen Seiten der Menschen. Daher war es für mich absolut okay, dass ich die Leute nicht unbedingt mag. Denn trotzdem kann ich mit ihnen mitfühlen und trotzdem ist bei mir persönlich extrem viel Gefühl übermittelt worden. Wenn man mich fragen würde, worum es in dem Buch handelt, würde ich sagen: Es geht darum, wie wenig man wirklich lebt. Es geht darum, dass man immer nur die schlechten Seiten des Lebens wahrnimmt oder den schlechten Momenten eine größere Bedeutung zuspricht. Außerdem geht es um die Verzerrung von Geschehnissen durch Social Media und auch generell durch die Medien. Plötzlich wirkt alles schlimmer als es ist, weil es durch die Medien gepusht wird. Aber es werden auch Behauptungen einfach hingenommen und geglaubt ohne diese zu reflektieren. 
Was mich aber ganz besonders an dem Buch beeindruckt: Dass es sehr authentisch und realistisch ist. Kennt jemand den Podcast "Serial"? Dieser ist von einer Journalistin, die versucht einen Mord aufzuklären - alles beruht auf einer wahren Begebenheit. Sie rollt den Fall neu auf, spricht mit Zeugen, sammelt Indizien, spricht sogar mit dem mutmaßlichen Mörder, der seine Unschuld beteuert. Dieses Buch hat mich stark an den Podcast erinnert. Der Autor von "Wer war Alice?" ist ebenfalls Journalist und ich finde man merkt das. Aber das ist nicht negativ gemeint, sondern meiner Meinung nach wirkt die Geschichte dadurch sehr authentisch und glaubwürdig. Man hat das Gefühl, dass das gleiche gemacht wird wie in dem Podcast, den ich erwähnt habe. Es werden Beweise gesammelt, Zeugen befragt usw. Gerade, dass diese Geschichte einfach so nah am Leben ist, finde ich großartig. Das einzige, was ich wirklich bemängeln würde, ist die Einordnung als Psychothriller. Ein Psychothriller ist es meiner Meinung nach nicht und ich finds schade, dass es so vermarktet wird, weil viele einfach was anderes erwarten. Und das wird dem Buch nicht gerecht, weil es dadurch vielleicht negativ betrachtet wird. 

Fazit: 
Für mich ein absolutes Lesehighlight und ich kann nicht verstehen, warum es so viele schlechte Rezensionen zu dem Buch gibt. 
Für mich ist das Buch aufgrund des Schreibstils und des Aufbaus absolut glaubwürdig und authentisch. Obwohl die Charaktere auf mich nicht sympathisch wirken, übermitteln sie sehr viel Gefühl und erreichen mich einfach mit dem was sie erlebt haben. In der Geschichte liegt der Fokus eher auf den schlechten Seiten des Menschen und das macht es irgendwie realitätsnah. Ich finds großartig und vergebe 5 Sterne!