Rezension

Authentizität und Persönlichkeit

Gangsterblues - Joe Bausch

Gangsterblues
von Joe Bausch

Bewertet mit 4 Sternen

Wie viel Unschuld steckt in der eigenen Schuld? Wie viel ehrliche Reue ist neben dem verordneten Verbüßen der Haftstrafe tatsächlich möglich? Findet wirklich eine Läuterung statt? Sind die Täter oder deren Opfer präsenter? Zwölf Geschichten, Lebensläufe, Straftaten, von den Gefangenen selbst erzählt, in denen sie fast frei „von der Leber weg“ mal mehr, mal weniger reflektiert versuchen, darauf eine Antwort zu geben. Gefängnisalltag, Hoffnungslosigkeit, Eitelkeiten, Abgründe, Sichtweisen und Emotionen. Nicht zu 100 Prozent tatsachengetreu, doch durchaus im Bereich des Möglichen liegend. Gestrandete aus dem Menschenmeer unserer Gesellschaft. Ohne den Stab zu brechen, sollte sich doch jeder seinen ganz eigenen Reim darauf machen.

 

Kaum jemand, der Joe Bausch nicht kennt. Auf ihn hört man oder hört zumindest interessiert zu, wenn er von Verbrechen und Verbrechern erzählt. So ist es auch bei diesem Hörbuch, das er höchst selbst liest. Obwohl in der freien Rede deutlich besser, versteht er es, mit seiner markanten Stimme und der ruhigen Erzählweise, seine Zuhörer mit an den Tisch zu holen, am dem er mit seinen Gesprächspartnern sitzt. Zuhören, Verstehen, Durchschauen sind seine Stärken, an denen er uns teilhaben lässt. Obwohl es bei „Gangsterblues“ nicht um ihn geht, ist er dennoch die Hauptperson, bei der man sich gut aufgehoben, ja, geschützt fühlt. Joe Bausch, eine starke Persönlichkeit, der sagt, was er denkt. Und was er denkt hat Hand und Fuß … Herz und Hirn.

 

Kaputte Existenzen, gescheiterte Leben. Makaber ausgedrückt, führen viele Wege bekanntlich nach „Rom“. Fernab unseres Alltags eine Parallelwelt; real, hart, hoffnungslos. Kaum vorstellbar, doch sind wir „draußen“ wirklich davor gefeit? Es kann sehr schnell gehen oder viele Jahre dauern. Man kommt unweigerlich ins Grübeln. Man ist ergriffen und bewegt, kommt aber nur schwer oder gar nicht dahinter, wie sich diese Endstation tatsächlich anfühlt. Menschliches Dasein hinter unmenschlichem Handeln – ein fesselnder Spagat. Durch das Hören / Lesen von „Gangsterblues“ werden der eigenen Schwarz-Weiß-Palette wichtige Grau-Nuancen hinzugefügt. Mein Dank gilt dabei allen Beteiligten. Im übertragenen Sinne bleibt die Tür verschlossen, doch es wurde ein Blick durchs Schlüsselloch gewährt.