Rezension

Barbara Dribbusch - Schattwald

Schattwald - Barbara Dribbusch

Schattwald
von Barbara Dribbusch

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzbeschreibung: 
Als Anne Südhausen nach Innsbruck reist, um den Nachlass ihrer verstorbenen Großmutter Charlotte zu regeln, macht sie eine Entdeckung: Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg, die von Charlottes Zeit im Nervensanatorium Schattwald erzählen – einem Ort, an dem schreckliche Dinge geschahen, die das Leben der Großmutter für immer veränderten. Auch in der Gegenwart passiert Unerwartetes: Ein außergewöhnlicher Mann tritt in Annes Leben, einige Personen entwickeln plötzlich großes Interesse an den Tagebüchern und Anne gerät immer mehr in Gefahr... *Quelle*

Zur Autorin: 
Barbara Dribbusch arbeitet seit 1993 als Redakteurin bei der taz und hat bereits ein Sachbuch veröffentlicht. Ihre Freizeit widmete sie in den letzten Jahren den Recherchen zu ihrem ersten Roman »Schattwald«, insbesondere zur Geschichte der Psychiatrie in den 1920er- und 1930er-Jahren sowie im Nationalsozialismus.

Meinung: 
2014: Die 46-jährige Anne Südhausen arbeitet als Journalistin für eine Frauenzeitschrift und hat sich kürzlich von ihrem Mann getrennt. Als sie einen Anruf aus Innsbruck bekommt, dass ihre Großmutter Charlotte nach einem Schlaganfall verstorben ist, macht sie sich kurzerhand auf, um ihren Nachlass zu sichten und die Beerdigung zu organisieren, da sie die letzte lebende Verwandte ist, aber auch jahrelang keinen Kontakt mehr zu ihr hatte. Auf dem Flug nach Innsbruck macht Anne die Bekanntschaft von Dr. Siegfried Rattler, einem renommierten Hirnforscher, den sie auf Anhieb interessant findet.

Im Haus ihrer Großmutter angekommen, findet sie 13 Tagebücher von Charlotte, die sie im Jahre 1943 geführt hat, als sie sich einige Zeit im Sanatorium Schattwald im Ötztal aufgehalten hat, da sie den Tod ihres Zwillingsbruders Robert, der mit 20 Jahren in Stalingrad gefallen ist, noch nicht überwunden hat. Anne sieht sich nun der geheimnisvollen Lebensgeschichte von Charlotte gegenüber, von der sie nichts wusste, aber auch zwei neugierigen Nachbarinnen und auch Siegfried Rattler, die alle ein gewisses Interesse an den Tagebüchern zu haben scheinen.

Schattwald wurde von Barbara Dribbusch in zwei Zeitebenen angelegt, in denen der Leser einerseits Anne Südhausen begleitet, die gerade ihre Großmutter verloren hat, sich nun vor Ort in Innsbruck um die Sichtung ihres Nachlasses und die Beerdigung kümmert und dabei die Tagebücher von Charlotte findet. In der anderen Zeitebene werden ebendiese lebendig, man befindet sich nun im Jahre 1943 und begleitet die 20-jährige Charlotte in ihren Tagen in Schattwald.

Allerdings gehe ich mit dem Klappentext nicht konform, denn hier wird von schrecklichen Dingen, die in Schattwald geschahen, berichtet. Doch werden hier keine für diese Zeit üblichen Versuche an behinderten Menschen durchgeführt. Vielmehr glänzt die Einrichtung durch großen Zusammenhalt zwischen Personal und Patienten, da der Anstaltsleiter Dr. Carl Amberg sich wirklich rührend und auch schützend um sie kümmert.

Charlotte, Annes Großmutter, ist eine starke junge Frau, die sich recht schnell in Schattwald zurechtfindet und dort auch über den Tod ihres Bruders Robert hinwegkommt. Sie nimmt sich den anderen Patienten an, unter denen sich der blinde Kolja Brunner, der alkoholsüchtige Hans Schuster, die stumme Pianistin Sophia Ederle und Bertha Uhlig, die sich für die berühmte Zarah Leander hält, befinden.

Die Gegenwarts-Zeitebene, die sich ihrer Enkelin Anne annimmt, konnte mich indes nicht so ganz begeistern. Anne war mir in vielen Hinsichten zu naiv dargestellt und auch, was das Thema Männer angeht, zu weinerlich und anbiedernd. Für eine 46-jährige moderne Frau und Journalistin war sie mir daher zu unglaubhaft. Daher freute ich mich mehr auf die Abschnitte mit Charlotte, die mir deutlich besser gefallen haben und gerade zum Schluss einiges an Spannung boten.

Fazit: 
Schattwald ist eine lesenswerte Familiengeschichte, die vor allem in der Vergangenheits-Zeitebene aufzeigt, wie wichtig es damals war, zusammenzuhalten, Mut zu haben und zueinanderzustehen, was nicht unbedingt selbstverständlich war. Ein empfehlenswerter Roman, auch wenn mich die Gegenwarts-Protagonistin Anne aufgrund ihrer etwas einfältigen Art nicht wirklich begeistern konnte.