Rezension

Bauernkitsch in listigem Gewand !

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Bewertet mit 3 Sternen

Eine eigentlich bedrückende Thematik - trotzdem konnte mich dieser Roman nicht abholen! Ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck, dass die Autorin ein Anliegen hat, sondern, dass sie auf einen fahrenden Zug aufspringt. Jedenfalls ist ihr Thema literarisch abgegrast und nur eine fade Wiederholung dessen, was andere, bedrückender und besser auf den Tisch brachten. Deshalb: von mir keine Leseempfehlung, obwohl die Autorin großes schriftstellerisches Talent zeigt.

Das bäuerliche Leben früherer Tage war bekanntlich anders als bei „Bauer sucht Frau“. Wir befinden uns im Jahre 1831. Rückblickend erzählt Mary, die jüngste eines einfachen Bauernmannes aus ihrem Leben. Ihre Handicaps: sie ist ein Mädchen anstatt eines Jungen, sie ist blond, aufgeweckt aber ungebildet, verkrüppelt, sie hat lieblose Eltern und ist arm. Ihr Plus: Lebensfreude, Herzensgüte, Pragmatismus, Fatalismus, Fleiß, Beobachtungsgabe, Wissbegier, Wahrheitsliebe.

Im Rhythmus der Jahreszeiten stellt die Autorin uns ihre tapfere Heldin Mary vor. Doch Mary gibt es leider nicht. Im beschriebenen Zeitfenster stellt ein Mädchen der unteren Schichten (wenigstens nicht laut) gegebene Autoritäten nicht in Frage, die Kirche, Gott, den Pfarrer, alles.

Man wünscht sich jedoch, dass es eine Mary gäbe bzw. gegeben hätte, die mal die Dinge zur Sprache bringt, die zur Sprache gebracht werden müssen und die sich wehrt.

Auf diesem Wunsch des Lesers, dass es eine solche Figur gäbe, resultiert der ganze Reiz des Buches: Denn Mary ist ein Individuum. Jemand, der Persönlichkeit hat und sich nicht versteckt. Mary ist auch zu schöner Naturlyrik fähig. Die anderen Figuren der Autorin sind dagegen schablonenhaft, angefangen vom behinderten Großvater, dem groben Vater, der verhärmten Mutter, den gedankenlosen Schwestern bis hin zur guten, aber schwachen, in Krankheit dahinsiechenden Pfarrersfrau. Kitsch as Kitsch can.

Das Komische ist: durch die listige Machart des Romans, der Stil passt sich der Struktur des einfachen Bauernmädels an, muss man schon genau hingucken, um den darunterliegenden Kitsch in der Handlung und den Figuren zu erkennen. Um den Leser vollends zu verwirren, schreibt die Autorin einen Schluss mit Knalleffekt. Dieser Schluss überrascht im ersten Moment, aber im zweiten denkt man: Das ist zu gewollt! Das kenn ich auch von irgendwoher. Das ist doch nicht neu, sondern momentan Mode. Deshalb kann auch der Schluss (mich) nicht überzeugen.

Fazit: Sehr hübsch geschrieben und listig gestaltet mit starker Protagonistin, aber die Handlung ist einfach zu künstlich und wirkt wie ein volkstümliches Theaterstück. Ich könnte mir eine Aufführung im Ohnesorgtheater ohne Weiteres vorstellen.

Kategorie: volkstümliche Unterhaltung
Verlag: Eisele, 2018

Kommentare

lex kommentierte am 29. Januar 2018 um 13:51

Kategorie "Volkstümliche Unterhaltung"... böse :-) Ich seh schon die Massen aus dem Ohnesorgtheater rennen. Sag, machen die nicht nur Komödie? Ohnesorg kenne ich nur von besagter Oma.

wandagreen kommentierte am 29. Januar 2018 um 17:13

Ja, schon. Du hast völlig recht. Aber auch die werden moderner. Ein bisschen Drama wäre da genau das richtige!