Rezension

Be-greif-en!

Der Vogelgott
von Susanne Röckel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wie ist die Welt? Deine Welt - in der Du lebst? Du skizzierst sie. Du formst und bildest sie. Du kreierst sie - aus Deinem Wissen, Deinen Erfahrungen, Deinen Gedanken, Deinen Emotionen. Gefällt sie Dir so, nicht - finde und variiere Deinen Reflexionspunkt!

"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile." - Aristoteles.

Susanne Röckel porträtiert in ihrem Roman "Der Vogelgott" die Familie Weyde, bestehend aus Konrad dem Vater und seinen drei Kindern Thedor, Dora und Lorenz. Vier Geschichten, vier Perspektiven.

Berichtartig beginnt der Roman mit Konrad Weyde. Er begibt sich auf eine abenteuerliche Suche nach einem imposanten Geschöpf. Er jagt es. Es soll ihn in der ornithologischen Welt emporheben. Fanatisch in Gedanken zerfressen diese ihre Verbundenheit. Sie verschwinden. Was bleibt?

Thedor - das jüngste Kind, probiert sich auf Rat des Vaters in der Medizin, stolpert nur so durch die Welt und hat seine noch nicht gefunden. Nach der Frage zum Sinn des Lebens bekommt seines eine Wende und wie in Trance erkundet er das Aza-Land von einem Hospital aus.

So richtungs- und planlos ist Dora indes nicht. Sie als Kunsthistorikerin verfolgt zielstrebig ihre Arbeit für die Dissertation über ein Altargemälde Johannes Wolmuths. Auf dem Weg ihrer Verwirklichung blättert die Wahrheit und macht Darunterliegendes sichtbar.

Das dritte Kind Konrads, Lorenz, ist federführend in der Verschmelzung der Weyde'schen Episoden. Seine journalistischen Recherchen zu einem ominösen Autounfall sollen ihm endlich die würdevolle Achtung bringen, die er sich so sehr ersehnt.

Die vier Kuriosa sind bizarr und mystisch. Oder doch eher luzid phantastisch. Väterlicher Fanatimus gebiert schizoaffektive Störung. Die Weydes kommen daher wie die apokalyptischen Reiter.

Susanne Röckel schafft in ihrem Roman grandiose obskure Bilder. Verschwindend in der Abgrenzung. Ein spannender Tanz aller Realitätsformen. Gegensätze prallen gewaltig aufeinander. Wer läßt wen wie auch immer wieder frei? Durch salbungsvolle Sprache und fulminates Gefühl für Literatur zaubert sie uns in einen Bann, aus dem wir betörend fast schon wahntrunkend mit der letzten Seite entlassen werden.

"Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muss eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott." - Hermann Hesse. Der Vogelgott nistet sich nachtmahrisch und schwergründig in die unruhigen Gedanken der Kinderlein Weydes, die nach unsäglichem Bedürfnis nach Vaterschutz streben, ein, um aufberstend und gestärkt in die Welt hinauszuschwingen.

Unbegreiflich? Vielleicht wird der Reflexionspunkt mit Augen wie schwarzglänzende Spiegel gefunden werden.

Kommentare

yvy kommentierte am 04. Dezember 2018 um 11:10

Was für eine Rezension! Das liest sich beinahe wie der Epilog zum Werk. Toll(kühn) und irgendwie habe ich jetzt fast Lust, den Roman noch einmal zu lesen und zu be-greif-en.

wandagreen kommentierte am 04. Dezember 2018 um 11:40

Du hast es drauf, Hase. Jetzt wäre es schön, wenn die Autorin sich äussert und sagt: Ich wusste es zwar nicht, aber das wollte ich (wohl) sagen.

 

Susi kommentierte am 14. Juni 2020 um 15:57

danke, dass Du mir das Buch erklärst. Jetzt verstehe ich ansatzweise, worum es ging. Ich fand es sehr zäh und unbefriedigend.