Rezension

Bedrückend

Die Nickel Boys
von Colson Whitehead

Bewertet mit 4 Sternen

Florida in den Sechzigern. Elwood wächst bei sei seiner Großmutter auf - ein kluger Junge, der nach der Schule in einem Tabakladen jobbt und eine glühende Begeisterung für Martin Luther King hegt. Doch als er nur durch Zufall in falsche Gesellschaft gerät, ändert sich sein Leben für immer. Elwood wird als Autodieb festgenommen und muss in die Nickel-Besserungsanstalt. Was von außen wie ein normales Internat aussieht, entpuppt sich bald als purer Alptraum. Eine noch immer bestehende Rassentrennung, aggressive Mitschüler und sadistische Wärter machen dem Jungen von nun an das Leben zur Hölle. 

Es ist eine bedrückende Geschichte, die Colson Whitehead über mehrere Zeitebenen hinweg erzählt. Alles beginnt in der Gegenwart mit einem grausamen Fund auf dem Gelände des Nickel. Rückblickend folgt der allwissende Erzähler dann dem jungen Elwood, bis dieser erneut im Jetzt angelangt ist. Die Zustände in der Besserungsanstalt sind verheerend. Bestrafungen und Züchtigung sind an der Tagesordnung; wer dauerhaft "Ungehorsam" zeigt, verschwindet eines Tages und wird nie wieder gesehen. Doch es entstehen auch tiefgreifende Freundschaften, wie zwischen Elwood und seinem Mithäftling Turner. 

Bei aller Grausamkeit, die im Nickel herrscht, gelingt es dem Autor, das Meiste nur indirekt oder vermittelt zu schildern. So werden bei der berüchtigten Prügelstrafe beispielsweise nur die Geräusche oder die erlittenen Verletzungen wiedergegeben. Während des eigentlichen Ereignisses fällt Elwood jedoch bald in Ohnmacht - das reduziert die Brutalität der Handlung für Leser mit zartem Gemüt, schafft aber auch Distanz zu den Figuren. So bleibt vor allem der Protagonist bis zum Ende nur schwer greifbar. 

Colson Whitehead greift auch in diesem Roman wieder sehr stark politische Themen auf. Trotz Abschaffung der Rassentrennung im so genannten Civil Rights Act hatten Schwarze noch lange Zeit unter Gewalt und Ausgrenzung durch Weiße zu leiden. Dies spiegelt sich auch im Nickel wieder, in dem die Jugendlichen streng nach Hautfarbe getrennt und die weißen Jungen auch besser behandelt und seltener bestraft werden. Lebensmittel oder Schulutensilien, die der Staat für die schwarzen Insassen zur Verfügung stellt, werden von der Anstaltsleitung illegal nach draußen verkauft und die Jungen selbst als billige Arbeitskräfte in der Nachbarschaft eingesetzt. Doch dann fasst Elwood einen gefährlichen Plan. 

"Die Nickel Boys" ist ein schmaler Band mit nur knapp 200 Seiten - diese haben dafür umso mehr Gewicht. Der Autor beleuchtet hier ein wichtiges Thema in all seiner Härte und Grausamkeit. Das Ende hält noch eine Überraschung bereit, die den Leser mit einem bitteren Nachgeschmack zurücklässt. 

Fazit: ein kleines Buch voller großer Wahrheiten