Rezension

Bedrückende Geschichtsstunde

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Bewertet mit 4 Sternen

Georgia, Anfang des 19. Jahrhunderts: Cora ist schon als Sklavin auf der Baumwollplantage der Randalls geboren. Als Cesar sie bittet mit ihm zu fliehen zögert sie zunächst. Doch dann hört sie von einem Netzwerk, das Sklaven bei der Flucht hilft, der Underground Railroad, und entscheidet sich um. Nach den Grausamkeiten, die Cora auf der Farm erlebt hat, sowohl durch den Besitzer und die Aufseher, wie auch durch andere Sklaven, lernt sie nun die Gesellschaft dahinter kennen, die es mit ihren obskuren Ansichten zur natürlichen Ordnung der Rassen überhaupt erst ermöglicht hat, dass Weiße Schwarze entführen, besitzen und aufs Grausamste quälen. Sie lernt aber auch ein anderes Amerika kennen: Menschen, die diese Ansichten in Frage stellen und entlaufenen Sklaven helfen wollen. Dabei lernt sie unterschiedliche Modelle kennen und gelangt trotzdem immer wieder zur schmerzlichen Einsicht, dass Menschen dunkler Hautfarbe in Amerika als minderwertig betrachtet werden. Während Cora sich unter anderem monatelang auf einem Dachboden vor ihren Mitmenschen und einem hartnäckigen Sklavenjäger versteckt, führt ihre Geschichte dem Leser vor Augen, was für bedauernswerte und schreckliche Schicksale hunderttausende entwurzelte Menschen ertragen mussten und welche Zustände auch untereinander herrschten, die fast jeden Funken Menschlichkeit erstickten.

Colson Whitehead hat meiner Meinung nach zu Recht den Pulitzer Preis für dieses Buch bekommen. Er legt die Wurzel der auch heute noch existierenden Diskriminierung der farbigen Bürger Amerikas frei und beleuchtet sie schonungslos. Dieser Schonungslosigkeit kann sich der Leser nur wenig entziehen und so muss man dabei sein, wenn Sklavenhälter ihren Sadismus ausleben und sich möglichst abschreckende Misshandlungen ausdenken und sie umsetzen. Etliche Gewaltszenen waren schwer zu ertragen; noch schwerer, wenn man sich vorstellt, dass solche oder ähnliche Dinge wirklich passiert sind. Durch Perspektivenwechsel werden auch die fehlgeleiteten Ansichten deutlich, die die Sklaverei überhaupt erst ermöglichten. Gleichzeitig wird Whitehead für meinen Geschmack an manchen Stellen zu plakativ. Dadurch, dass er die Metaphern des Fluchtnetzwerks wörtlich umsetzt, bekommt die Geschichte einen fantastischen Hauch, der meiner Meinung nach nicht zu ihr passte. Auch hätte ich mir ein Nachwort des Autors dazu gewünscht, ob es die verschiedenen Modelle der verschiedenen Staaten, mit (entlaufenen) Sklaven umzugehen, so wirklich gegeben hat.

Der Stil ist eher distanziert, und doch ist die Geschichte dadurch nicht weniger unmittelbar. Whitehead vermag, den Leser direkt auf die Plantagen Georgias und zwischen die Hütten der Sklaven zu versetzen. Der Stil bewirkt dabei den Eindruck die Greueltaten in ihren Auswirkungen durch die Augen von Menschen zu sehen, die nach und nach abgestumpft und innerlich erloschen sind. In anspruchsvoller Sprache lässt der Autor die Zeit bildgewaltig wiederauferstehen und beschönigt dabei nichts: das Leben unter Sklaven ist genau so ein Überlebenskampf wie auf den Feldern ringsherum und auch hier herrscht Gewalt, was ich bislang selten thematisiert gesehen habe in Bücher zu diesem Thema. Wenig passend zum literarischen Stil fand ich die eher thrillerartige Wendung und zusammen mit der manchmal fehlenden Subtilität führt das in meiner Wahrnehmung des Buches zu kleinen Abstrichen. Insgesamt ist das Buch jedoch empfehlenswert, zumindest für Leser, die die ein oder andere Schilderung von Grausamkeiten ertragen können. "Underground Railroad" ist ein sehr gut lesbarer Pulitzer-Preisträger.