Rezension

Beeindruckend und schwach zugleich

Flugschnee - Brigit Müller-Wieland

Flugschnee
von Brigit Müller-Wieland

Bewertet mit 2.5 Sternen

Mit dem Roman „Flugschnee“ schaffte es Birgit Müller-Wieland bis auf die Longlist des Deutschen Buchpreises im vergangenen Jahr. Mich lässt das Buch eher mit gemischten Gefühlen zurück.

Lucys Bruder Simon ist verschwunden. Das Nachdenken über ihn führt sie zu einem früheren Wintertag ins Haus der Großeltern in Hamburg, an dessen Ende etwas geschah, das den Kindern verschwiegen wurde. Dieses Schweigen bestimmt nicht nur die weitere Zukunft, sondern reicht auch in die Generation der Großeltern und Urgroßeltern zurück, welche sich in vielfältig Ungesagtes verstrickten, politisches, persönliches. Helene, die Großmutter, kämpft gegen Ende ihres Lebens allerdings umso vehementer um ihre Erinnerungen: jede, auch die schlechteste, ist ihr willkommen, um dem „Schmelzen im Kopf“ zu widerstehen.

“Was macht das Glück einer Familie aus? Wenn es – neben vielen Komponenten wie der Abwesenheit von Krankheiten, sicherem Einkommen und dergleichen – gemeinsame Erinnerungen sind, die Zusammenhalt ermöglichen, miteinander gelebte Vergangenheit“, so denkt Lucy an einem Dezembertag in Berlin an eine unglückliche Familie. Als Leser erlebt man dabei, wie sie immer wieder innerlich das Wort an ihren verschwundenen Bruder Simon richtet und dabei ihre Gedanken zu sortieren versucht. Unterbrochen wird dies unter anderem durch Rückblicke in die Zeit, als ihre Eltern sich kennen lernten, in die Kennenlernzeit ihrer Großeltern, bis zurück in die Nazi-Zeit.

Anfangs fand ich nur sehr schwer Zugang zu der Geschichte, da Zeitsprünge und Weiterführung mit den wechselnden Personen und Handlungssträngen mich verwirrten, doch die Absätze und Kapitel griffen irgendwann gekonnt ineinander, so dass sich schließlich doch ein Zusammenhang ergab und sich nach und nach die Geschichte der Familie in Puzzle-Teilchen zusammensetzte.

Ich mochte besonders das Ausdrucksvermögen der Autorin, die es schaffte mit wenigen Worten eindringlich Stimmungen, Gefühle und Situationen zu beschreiben. Vor allem beeindruckten mich die Schilderungen des Schnees, der sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht und den Leser atmosphärisch mit der Gedämpftheit frisch fallenden Schnees umgibt – für mich ein besonderes Leseerlebnis. Aber oftmals war die Handlung auch langatmig und mir wollte sich bis zum Schluss leider nicht so recht erschließen, wohin dieses Buch den Leser eigentlich führen will. Und so hinterließ mich „Flugschnee“ mit einem unbestimmten unzufriedenen Gefühl, weil ich mir irgendwie doch mehr davon erwartet hätte. Schade.