Rezension

Beeindruckend und schwierig

Phon -

Phon
von Marente de Moor

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch ist beeindruckend und schwierig. 
Normalerweise habe ich keine Probleme damit, so ein Buch mit zwei Sternen in die Ecke zu stellen, aber hier fällt es mir schwer. Es ist auf sehr charmante Art klug, poetisch und eigen, dann aber auch immer wieder nervtötend weitschweifig und auch kryptisch. 

Hier meint man erst, die Geschichte eines ungleichen Paares zu lesen. Nadja war Studentin als sie sich in ihren Professor verliebte, den 20 Jahre älteren Lew. Jetzt sind beide alt, nicht mehr ganz gesund, leben alleine im Wald in der hintersten Ecke Russlands und kümmern sich um ihre Tiere. 
Nadja erzählt aus ihrem Leben und ist desillusioniert, verbittert und zynisch. Dabei gibt es Rätsel. Irgendwas passierte und war ein einschneidendes Erlebnis. Außerdem sind da unerklärliche, immer wiederkehrende Geräusche, ein seltsames Naturphänomen? 

Das klingt spannend und unterhaltsam und ist brillant erzählt. Nadjas bissiger Humor ist köstlich. Leider kommt sie niemals auf den Punkt und strapaziert die Geduld der Leser gewaltig. Abschweifung folgt auf Abschweifung und Abschweifung. Dazwischen ist immer ein bisschen Handlung, aber selbst die wird zunehmend fragwürdig. Irgendjemand muss hier verwirrt sein, entweder Lew oder Nadja, die Leser auf jeden Fall. Man fragt sich, worum geht es überhaupt? 

Die politische Situation in Russland ist speziell, war aber vor dem Umbruch in den 90er Jahren auch nicht besser. Oder doch? Kann man aussteigen und die Politik ignorieren? Sind Tiere die besseren Menschen? Wie lebt es sich in einer Fantasiewelt und ist die Flucht in Geschichten verwerflich? All das und noch viel mehr steckt in diesem Buch, wird angedeutet aber nicht wirklich verarbeitet. Hier steht alles und nichts im Raum und bleibt dort auch stehen. 

Dieses Buch ist bei aller Brillanz schwer verdaulich und wirklich anstrengend. Man muss aufmerksam jedem Schlenker folgen, sonst verliert man den Faden. Und trotz aller Bemühungen bin ich mir am Ende nicht sicher, ob und was ich verstanden habe. 

Ich habe länger darüber nachgedacht, wie ich ein Buch bewerten soll, bei dem ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ich zu dumm bin es zu verstehen oder ob es zu kryptisch geschrieben ist. Aber eigentlich ist genau das nicht gerade ein Qualitätsmerkmal, oder? 
Dieses Buch ist eine Erfahrung, eine Herausforderung aber auch ein bisschen eine Zumutung.