Beeindruckende Schlichtheit der Sprache, die unerwartet tiefgründige Gedanken anstößt
Bewertet mit 5 Sternen
Jocelyne und ihr Mann Jocelyn haben schwere Zeiten hinter sich – sie mussten eine Totgeburt und seine anschließende Alkoholsucht verkraften. Zwischen den Zeilen liest man sehr deutlich heraus, auf welch harte Probe ihre Ehe damit gestellt wurde. Sie zerbrach, ohne dass sich beide trennten. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt. Beide wissen, was sie aneinander haben. Sie sind zwar nicht glücklich wie Frischverliebte, aber sie haben sich mit ihren abgekühlten Emotionen arrangiert.
Und dann geschieht das, was niemand für möglich gehalten hat: Jocelyne gewinnt im Lotto sagenhafte 18.547.301,28€. 18,5 Millionen Euro, eine unvorstellbare Summe für eine bescheidene Frau wie Jocelyne, die einen Handarbeitsladen führt, der kaum Gewinn abwirft und einen Handarbeitsblog betreibt, der zwar beliebt ist, aber kein finanzielles Zubrot liefert. 18,5 Millionen Euro könnten ihr Leben mit einem Schlag auf den Kopf stellen.
Aber sie will sich von dem Gewinn nicht beeindrucken lassen. Sie schreibt zwar Wunschlisten, will ihr bisheriges Leben aber nicht aufgeben.
Grégoire Delacourt macht es sehr geschickt, den Leser mit solch einer unschlüssigen und zweifelnden Person zu konfrontieren. Ich geriet beim Lesen immer wieder ins Grübeln, wie ich in dieser Situation handeln würde – ob ich mir mit dem Geld ein schönes Leben machen würde, oder weitermachen würde wie bisher, als wäre nie etwas passiert.
Durch Jocelynes Schicksals- und Tiefschläge lernt der Leser sehr schnell: Geld ist nicht alles. Geld kann keine Familie, keine funktionierende Partnerschaft, keine Ehrlichkeit, Zuneigung und Liebe ersetzen. Geld allein macht nicht glücklich. Es kann ein Gewinn sein und das Leben versüßen, aber auch zum wahren Fluch werden und ein Leben in seiner bisherigen Form zerstören.
Beeindruckende Schlichtheit der Sprache, die unerwartet tiefgründige Gedanken anstößt.