Rezension

Beeindruckt nachhaltig

Mein Leben als Sonntagskind - Judith Visser

Mein Leben als Sonntagskind
von Judith Visser

Bewertet mit 5 Sternen

„Mein Leben als Sonntagskind“ von Judith Visser handelt von Jasmijn Leben, ein Leben in dem sie anders ist als die anderen, dies auch erkennt, aber nicht versteht warum. Jasmijn leidet unter dem Aspergersyndrom, was sie aber erst im Erwachsenenalter herausfindet.

Jasmijn ist ein cleveres, hübsches, tolles Mädchen und dennoch führt sie die ganze Zeit ein anderes Leben. Sie weiß, dass etwas nicht mit ihr stimmt, sie erkennt die Situationen in denen sie sich anders verhält als ihre Mitmenschen und dennoch hat sie dafür keine Erklärung. Dieses Buch behandelt das Thema Autismus, wie viele andere Bücher vor ihm, aber dennoch ist es grundlegend anders. Noch nie habe ich eine Krankheit so gut verstanden, wie nach der Lektüre dieses Romans.

Während des Lesens gehen unzählige Fragen durch den Kopf. Wie fühlt es sich an, ständig unabsichtlich gegen gesellschaftliche Regeln zu verstoßen? Wie fühlt es sich an nicht zu wissen, warum man so anders ist? Warum verhalten sich die Mitmenschen überhaupt anders als man selbst? Und wer ist denn nun der „Normale“, wer gibt überhaupt vor, was normal ist?

Oft habe ich mich bei diesem Buch dabei erwischt mich zu fragen, was überhaupt Normalsein bedeutet. Die Gedanken eines Menschen mit Aspergersyndrom erscheinen einem oftmals viel logischer. Jasmijn möchte nicht in die Vorschule mit der Begründung, dass sie nicht drei Stunden bei einer Frau bleiben möchte, die sie ja gar nicht kennt. Von dieser Sicht auf die Welt und die Geschehnisse können wir sehr viel lernen.

Als Nichtbetroffener weiß man natürlich das ein oder andere über Autismus, hat etwas darüber in Filmen gesehen oder in Büchern gelesen. Aber diese Beschreibungen alltäglicher Situationen machen dem Leser die Krankheit erst richtig bewusst. Ein tieferer Einblick in ein Leben mit Autismus ist kaum möglich. Man wird mitgenommen auf den weiten und beschwerlichen Weg, den Jasmijn auf sich nimmt um endlich „normal“ zu sein. Judith Visser hat eine unfassbare Beobachtungsgabe. In dieser Art kann man nur schreiben, wenn man selbst betroffen ist. Das macht das Buch zu 100% ehrlich und authentisch und ich bewundere sie für ihren Mut, ihre Welt in diesem besonderen Buch mit uns zu teilen.

Man leidet mit, man freut sich so sehr, als Jasmijn einen Reitwettbewerb gewinnt. Sie versteht selbst nicht, was mit ihr los ist, kämpft so sehr darum normal zu sein. Sie denkt immer wieder darüber nach, wie die normale Jasmijn sich verhalten würde, weil ihr bewusst ist wie anders ihr eigenes Verhalten ist. Man sieht mal wieder, wie absolut wichtig Tiere für die Menschen sind, aufgrund ihrer Ehrlichkeit und ihrem grenzenlosen Vertrauen. Man möchte ihr zuschreien: „Blieb so wie du bist, denn so bist du perfekt“. Es ist traurig zu lesen wie Jasmijn lernt sich zu verstellen, damit sie von anderen akzeptiert wird. Dieser verzweifelte Wunsch jemand anderes zu sein bricht einem fast das Herz. Man kann nur erahnen, wie viel schlimmer die Schicksalsschläge die sie erlebt für sie sein müssen. Umso schöner ist es, dass sie so eine gute und wichtige Freundin hat, die sie zwar nicht versteht, aber die ihr bei alltäglichen Situationen hilft und ihr dadurch Mut macht.

Judith Visser erreicht den Leser auf eine ganz besondere Art. Man leidet mit, man weint, man freut sich. Und man ist stolz auf Jasmijn, wenn sie mal wieder eine Situation gemeistert hat. Dieses Buch hat mich wirklich nachhaltig sehr beeindruckt!!!