Rezension

Beeindruckt - und doch irgendwie ratlos...

Alice - Judith Hermann

Alice
von Judith Hermann

Bewertet mit 4 Sternen

Es gibt Vielschreiber – und es gibt Judith Hermann.
Sechs Jahre nach der Veröffentlichung von „Nichts als Gespenster” erschien mit „Alice” das dritte und bis dato letzte Werk der Berliner Autorin.
Auf 192 Seiten versammeln sich darin fünf Kurzgeschichten, die lose miteinander verwoben sind und neben der titelgebenden Protagonistin auch das Thema gemein haben: Den Tod.

Die Handlung ist auf der äußeren Ebene eher minimal gehalten und bezieht ihre eigentliche Spannung und Stärke eher aus dem inneren Erleben der Protagonistin… aus Persönlichkeit und Persönlichem. Auch die Sprache beschränkt sich auf Wesentliches: Parataxe, keine Schnörkel – und dennoch poetisch.

Und wieder einmal wird deutlich, dass Judith Hermann eine großartige Beobachterin ist: Sie seziert nicht nur Gefühle und Empfindungen ganz exakt, sondern zeichnet tatsächliche Kulissen mit Worten nach, dass man das Gefühl hat, inmitten zu sitzen.
Zum Beispiel in Kapitel drei: Eine vietnamesische Blumenverkäuferin wird skizziert, die im Bahnhof ‘Prenzlauer Allee’ sitzt und schläft. Diese Blumenverkäuferin gibt es wirklich [jetzt kommt's: ich habe sogar schon einmal Blumen bei ihr gekauft! ;-)] – und durch die Lektüre dieses Buches hatte ich sie - mit einem zeitlichen Abstand von nunmehr sechs Jahren - wieder so deutlich vor Augen, als wäre ich ihr erst gestern begegnet…

Dennoch muss ich gestehen, dass mich das Buch - trotz aller Stärken - etwas ratlos zurückließ…