Rezension

Behütete Idylle

Der Honigmann -

Der Honigmann
von Peter Huth

Bewertet mit 5 Sternen

Vororte und ihre Gentrifizierung sind ja ein sehr aktuelles Thema, das mich auch direkt angesprochen hat. Gleichzeitig stellen sie aber auch ein spannendes, fragiles soziales Gefüge dar, was hier wunderbar gesellschaftskritisch aufgearbeitet wird. Ein tief beeindruckendes, aber auch beunruhigendes Buch- hat mir richtig gut gefallen.

Zum Inhalt: Fischbach ist das Vorort-Äquivalent zu Bullerbü, schöne gepflegte Grundstücke von der oberen Mittelschicht bevölkert. Man kennt seine Nachbarn, die Kinder können noch unbesorgt unbeaufsichtigt draußen spielen. Doch dann erschüttert ein Gerücht die Idylle und die Bewohner von Fischbach müssen sich fragen, was sie bereit sind zu tun, um ihr Paradies zu beschützen. 

Ich fand es total spannend, dass zwischen die eigentlich Handlung Interviews/Zeugenbefragungen mit verschiedenen Bewohnern von Fischbach eingestreut sind. Dadurch bekommt man tiefere Einblicke in das Innenleben der Gemeinde. Die Geschichte bekommt dadurch nochmal eine tiefere Ebene, die mir gut gefallen hat. 

Das Mitläufertum der Mutti-Gruppe, die losgetretene Hexenjagd und die drastischen Forderungen wirken wie eine moderne Horrorgeschichte. Dieses sich selbst profilieren im Angesicht einer Krisensituation finde ich so unfassbar abstoßend. Gleichzeitig ist es wahnsinnig authentisch rübergebracht; die Reibungspunkte und stufenweise Eskalation werden schön herausgearbeitet. Und man merkt innerhalb der Geschichte sehr gut wie schnell Sympathien und Stimmungen kippen können. 

Dieses Buch hat mich nachdenklich gestimmt und irgendwie ambivalent zurückgelassen. Gar nicht mal unbedingt was das Verhalten des Honigmanns betrifft, sondern die Reaktion der Gemeinschaft auf seine bloße Existenz. Das Buch schafft es, dass man sich nicht nur Gedanken zu diesem Thema macht, sondern auch sein eigenes potentielles Verhalten in solch einem Szenario durchspielt. Wunderbar verletzlich und aufrüttelnd zugleich.