Rezension

Bei der Übertragung in unsere Zeit gingen die Charaktere vergessen

Northanger Abbey - Val McDermid

Northanger Abbey
von Val McDermid

Bewertet mit 2 Sternen

Die 17-jährige Cat ist sehr behütet und quasi von der Umwelt abgeschlossen aufgewachsen. Ein einmonatiger Besuch in Edinburgh macht sie mit der Gesellschaft bekannt – und den Männern…

 

„Northanger Abbey“ ist ein Roman von Jane Austen, geschrieben um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Autorin Val McDermid hat sich des Werks angenommen und den Stoff in die heutige Zeit, und damit gut 200 Jahre später, übertragen. Das Original von Jane Austen habe ich zwar schon mal gelesen, aber das ist nun sicher 10 Jahre her und ich kann mich kaum mehr daran erinnern. Einen inhaltlichen Vergleich zwischen dem Original und der Neufassung kann ich daher nicht ziehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich schon einen Krimi von Val McDermid gelesen habe (mit denen sie berühmt geworden ist)(, auch da kann ich also keine Vergleiche ziehen.

 

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Protagonistin Cat. Damit ist sie auch die einzige, über deren Gefühlswelt der Leser etwas erfährt. Die anderen Personen werden nur durch ihr Verhalten und ihre Reaktionen beschrieben, ihre Motive bleiben aber unklar, solange sie nicht deutlich angesprochen werden. Eine Eigenschaft von Cat hat mich mit der Zeit ziemlich genervt: sie steht auf Vampire. Und zwar auf die Twighlight-Variante, die lieben, glitzernden, die niemanden beissen. Alles und jeden vergleicht sie mit Vampiren (huch, XY ist so schnell und lautlos verschwunden, ist er etwa ein Vampir? Ich habe YZ, den ich grandiose zwei Mal getroffen habe, noch nie bei Sonnenschein gesehen, er muss also ein Vampir sein! YX sieht viel jünger aus, als er ist, wie ein Vampir! Schlussendlich glaubt sie ernsthaft, dass Vampire unter uns wandeln, und das mit 17!), was auf die Dauer erst langweilt, und dann nervt. Zudem denkt sie oft naiv und begriffsstutzig wie ein kleines Mädchen, was sie als 17-jährige des 21. Jahrhunderts komplett unglaubwürdig erscheinen lässt. Nicht nur die Protagonistin Cat hat mich als Figur enttäuscht, auch alle anderen Charaktere blieben blass, klischeebeladen und alles andere als der heutigen Zeit angepasst. Keine einzige Figur konnte mich wirklich überzeugen oder mich sogar berühren.

 

Im Schreibstil hat sich Val McDermid dem Vorbild Jane Austen angepasst, was ihn teilweise etwas geschwollen wirken lässt. Die Geschichte liest sich sehr „klassisch“, was dem Leser neben den Figuren noch zusätzlich das Gefühl gibt, ein „altes“ Buch zu lesen, wobei die modernen Technologien wie Facebook und die aktuellen Bücher wie „Twighlight“ wie ein Fremdkörper wirken. Spannung kommt über die ganzen 304 Seiten leider keine auf.

 

Mein grösster Kritikpunkt ist jedoch folgender: Die Geschichte wurde zwar ins 21. Jahrhundert versetzt, aber nur den äusseren Umständen nach. Viele Details gingen bei der Umsetzung wohl vergessen, und die Figuren wurden überhaupt nicht an unsere Zeit angepasst. Wieso sollte sich beispielsweise in der heutigen Zeit eine 17-jährige darum Gedanken machen, ob sie den ganzen Abend mit demselben Partner tanzen darf (was heutzutage wohl ohnehin niemand mehr bemerken würde)? Wieso sollte ein junges Paar in der Öffentlichkeit eine Anstandsdame benötigen, um die Erwachsenen vom Tratschen abzuhalten? Wieso sollte eine 17-jährige sich einen Monat lang mit Lesungen, Theaterstücken und Bällen vergnügen, ohne zwischendurch auch mal eine Bar, eine Party oder ein Rock- oder Popkonzert aufzusuchen (ok, an einer einzigen Party war sie…)? Welche 17-jährige verzichtet schon ihr ganzes Leben darauf zu fluchen, weil das ein schlechtes Bild auf ihren Vater werfen könne? Wer verlobt sich nach einer Woche, in der man sich nur in der Öffentlichkeit getroffen hat? Das Verhalten aller Beteiligten und auch Cats Gefühlswelt erschienen mit daher sehr altmodisch. Die regelmässige Erwähnung vom SMS und Facebook reichen eben nicht aus, um eine alte Geschichte in die heutige Zeit zu versetzen, ebenso wenig der inflationäre Gebrauch des Wortes „Cool“ (benutzen Jugendliche den Begriff heutzutage überhaupt noch? Und wieso schreiben sie SMS, heute nutzt man doch Whatsapp? Val McDermid scheint sich mit der „heutigen Jugend“ nicht sonderlich gut auszukennen?).

 

Auch haben mich viele Verhaltensweisen und Denkansätze, die vor 200 Jahren ganz normal waren und die ich in Jane Austen Romanen auch gut akzeptieren kann, in die heutige Zeit versetzt sehr genervt, insbesondere, da sie von niemandem hinterfragt wurden. Ein Paar kann nicht sofort heiraten, weil er zu wenig verdient, um beiden den Lebensunterhalt zu finanzieren? Dann soll sie halt auch arbeiten gehen, notfalls bei McDonalds oder an der Supermarktkasse! Die Welt geht unter, weil sie erst in zwei Jahren heiraten können? Na und, das hält doch heuten niemanden davon ab, eine Beziehung zu führen, zusammen zu wohnen etc.! Eine Frau aus gutem Hause braucht keine Ausbildung, da sie ohnehin heiraten wird? Wie bitte, sogar Queen Elizabeth II hat eine Ausbildung (im 2. Weltkrieg wurde sie zur LKW-Fahrerin und Mechanikerin ausgebildet) und auch die schwedischen Prinzessinnen Victoria und Madeleine haben studiert! Es ist die Aufgabe des Vaters, sicherzustellen, dass die Tochter den richtigen Mann heiratet? Oh nein, sie heiratet ja schliesslich, und nicht er! Um herauszufinden, wie eine Person ist, wird nach deren Familie, insbesondere nach der finanziellen Lage, gefragt, und das von Tennagern? Dazu erübrigt sich wohl jeder Kommentar…

 

Die Idee, eine altbekannte Geschichte in die heutige Zeit hineinzuversetzen ist nicht neu, spricht mich aber grundsätzlich immer wieder an. Wie man das geschickt macht, kann man an Filmen wie beispielsweise „10 Dinge, die ich an dir hasse“ sehen. Wie man es besser nicht macht, sieht man an „Northanger Abbey“. Nur die äusseren Umstände zu ändern und die Figuren SMS statt Briefe verschicken und Autos anstelle von Kutschen fahren zu lassen, reicht nicht aus, um eine Story in die heutige Zeit zu adaptieren.

 

Mein Fazit

Die Idee ist gut, aber die Umsetzung der Jane Austen Geschichte vermag nicht zu überzeugen, da nur die äusseren Umstände, nicht aber die Handlungs- und Denkweise der Personen angepasst wurde und die Geschichte recht seicht bleibt.