Rezension

Bei diesem Krimi ist nur das Ermittler-Team ungewöhnlich

Erbarmen - Jussi Adler-Olsen

Erbarmen
von Jussi Adler-Olsen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Seit einem Hinterhalt, bei dem zwei seiner Kollegen getötet bzw. schwer verletzt wurden, ist Kriminalkommissar Carl Mørck nicht mehr der Alte. Seine Chefs befördern den traumatisierten Kollegen in ein Kellerbüro, wo er als Chef des neu gegründeten Sonderdezernats Q ungelöste Kriminalfälle untersuchen soll. Seine Tage verbringt Carl mit Solitär und rauchen, bis der von ihm eingeforderte Assistent eintrifft. Der Syrer Assad ist nicht gerade das, was Carl sich unter einem „Mädchen für alles“ vorgestellt hat, doch Assad schafft es, Carls Selbstmitleid einzudämmen und seine kriminalistische Spürnase wieder zu erwecken. Das ungewöhnliche Ermittler-Duo beschäftigt sich nun als erstes mit dem Fall der fünf Jahre zuvor auf einer Ostsee-Fähre verschwundenen Merete Lynggard. Die aufstrebende Politikerin soll über Bord gegangen sein, eine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Merete aber lebt, entführt und eingesperrt in einem unsäglichen Gefängnis...

Mit dem Dänen Jussi Adler-Olsen ist ein neuer Stern am Himmel der skandinavischen Krimis aufgegangen, der regelmäßig die Bestseller-Listen anführt. Auch wenn ich dieses Genre meist nicht lese, hat mich die Prämisse des Ermittler-Duos Carl und Assad sowie das Rätsel um Merete Lynggard neugierig gemacht. Letzteres dürfte jedem Leser mit etwas Spürsinn schon weit vor Ende des Buches bekannt sein. Ich war mir schon vor Seite 100 sicher, wer dahinter steckt und so war es leider auch. Überraschende Wendungen suchte ich in „Erbarmen“ vergeblich. Es handelte sich um eine durchschnittliche Beschreibung der Ermittlertätigkeit der Polizei, während der Leser schon ein paar Schritte voraus ist, da auch Kapitel aus Meretes Sicht geschildert werden. Anstatt noch ein paar Überraschungen für den Leser einzubauen, muss sich Carl mit seiner nervenden Ex-Ehefrau herumschlagen, deckt in jedem dritten Kapitel eine Schlamperei der ursprünglich ermittelnden Kollegen auf (gähn) und Adler-Olsen baut noch einen Hackerangriff auf die Behörden ein, der nichts mit dem Fall zu tun hat und überflüssig wie ein Kropf war.
Ein gewisses Maß an Spannung wird trotz allem aufgebaut. Dass zwischen manchen Kapiteln ein Perspektivwechsel erfolgt , trägt dazu bei, dass man in der Hoffnung auf Aufklärung des Falles immer weiter liest. Ich hatte „Erbarmen“ in relativ kurzer Zeit durchgelesen.
Von den Charakteren ist Hafez el-Assad eindeutig der interessanteste, während Carl Mørck den Klischee-Polizisten spielt. Von Assad wird man noch einige Geheimnisse erfahren, daher bin ich trotz der enttäuschenden Handlung und dem durchschnittlichen Schreibstil in Versuchung, die Reihe weiter zu lesen. In der Hoffnung, dass Carl sich dann endlich von Ex-Frau Vigga geschieden hat... Des weiteren waren mir Merete Lynggard und ihr Bruder sympathisch, die Polizeikollegen wiederum das genaue Gegenteil.
Das Kellerbüro und die ungelösten Fälle mit dem Ermittler-Duo, das sich gut ergänzt: das erinnert mich sehr stark an meine Lieblingsserie „Akte X“ aus den Neunzigern. Noch ein Grund, die Fälle von Mørck und Assad weiter zu verfolgen.